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Worum es geht
Für das Projekt Stuttgart 21 soll der bestehende 16-gleisige Kopfbahnhof durch einen um 90 Grad gedrehten 8-gleisigen Durchgangsbahnhof ersetzt werden, der nur durch 60 Kilometer an unterirdischen Gleisen angefahren werden kann.
Sinn des Projekts ist nicht, den Bahnverkehr zu verbessern, sondern Flächen mit einem neuen Stadtteil bebauen zu können, die bislang noch von Gleisen (vor allem des Abstellbahnhofs) belegt sind.
Dabei liegt der „Tiefbahnhof“ nur teilweise unter dem Boden und stellt eine Art quer zum Tal liegenden Wall dar. Weil zudem die Gleise auf der einen Seite unter den S-Bahn-Gleisen hindurch und am andern Ende über den Stadtbahngleisen hinweggeführt werden müssen, hat er eine Schräglage von 15 Promille. Das eine Ende eines im Bahnhof stehenden Zugs liegt deshalb 6 Meter höher als das andere Ende.
Ein zweiter „Sinn“ des Projekts ist: Durch die Drehung um 90 Grad und den anschließenden Tunnel kann die Bahn nach Süden Richtung Flughafen geführt werden. Dass Stuttgart einen Flughafen mit ICE-Anschluss bekommt – das ist der Traum der Schöpfer des Projekts. Dass der Flughafen aber bereits heute mit einer S-Bahn-Linie zu erreichen ist, die direkt unter dem Flughafen hält, reicht offenbar nicht aus. Der neue „Flughafenbahnhof“ wird hingegen ca. 8 Gehminuten vom Flughafen entfernt in 30 Meter Tiefe sein.
Da die Tunnels fast vollständig im Rohbau fertig sind und auch das Tiefbahnhofsgebäude weit vorangeschritten ist, zielt unser Protest nicht darauf, das alles wieder abzureißen oder zuzuschütten, sondern das bereits Gebaute sinnvoll umzunutzen: Der Kopfbahnhof soll modernisiert werden und die Tunnels für ein unterirdisches vollautomatisches Logistik-System genutzt werden. Siehe www.umstieg-21.de
Klimaschädlich in Bau und Betrieb
S21 – materialisierter Wachstumsfetischismus
Das Grundkonzept des Projekts stammt aus den frühen 90er Jahres des vorigen Jahrhunderts, aus einer Zeit, in der Umweltschutz noch einen geringen Stellenwert hatte und die sich inzwischen zuspitzende Klimakatastrophe noch kein großes Thema war. Höher, weiter, schneller – egal wie und um welchen Preis – war das Maß der Dinge. Ein Skandal, heute noch an dieser Fehlausrichtung festzuhalten!
Weitere Aufheizung der Stadt durch Bebauung des Gleisvorfelds/Rosensteinareal
Städte sind künftig besonders von Extremhitzetagen und -nächten bedroht – und Stuttgart mit seiner Kessellage besonders. Dennoch soll mitten in die Frischluftschneise auf dem derzeitigen Gleisvorfeld ein neuer Stadtteil (Rosenstein) gebaut werden, der die so wichtige Abkühlung der Stadt massiv behindert würde.
(Details siehe:
„Beschädigt das Stadtklima“)
Förderung des Flugverkehrs
Zum Thema Verkehrswende rückwärts durch Stuttgart21 gehört auch die Förderung des klimabelastenden Flugverkehrs. Denn zu S21 gehört ein weiterer an den ICE-Verkehr anzuschließender Tiefbahnhof am Flughafen, mit dem die ehrgeizigen Ziele der Steigerung der Fluggastzahlen von Stuttgart aus um 40% bis 2033 erreicht werden sollen.
Am Anfang stand die Rodung großer Teile des Stuttgarter Schlossgartens
Mit dem Protest Tausender Bürger*innen gegen die Verpflanzung und Fällung eines teils 300-Jahre alten Baumbestands (368 Bäume) ist die Bürgerbewegung gegen Stuttgart21 Teil der frühen Umweltproteste. Als Parkschützer firmierte der gewaltfreie Protest gegen diesen Umweltfrevel.
Überflutungsrisiko erhöht
Aufgrund seiner Kessellage besteht in Stuttgart ein ohnehin höheres Hochwasserrisiko bei den zunehmend zu erwartenden Starkregenereignissen. Durch die Querlage des bis zu 8m über dem Niveau liegenden Bahnhofstrogs müssen alle neckarwärts fließenden Abwässer in Dükern umgeleitet werden, was die Abflussgeschwindigkeit erheblich reduziert. Oberflächenwasser kann durch die Staudammwirkung des Bahnhofstrogs kaum noch abfließen.
“Hundertausende Euro für 2 Eidechsen“: Artenschutz lächerlich gemacht
Das Bemühen, die Habitate von Eidechsen, Turmfalken und Juchtenkäfer und anderer geschützter Arten gegen Abrisse, Baumfällungen und Bodenversiegelungen zu schützen, durchzieht die Widerstandsgeschichte gegen das Projekt. Die Projektverantwortlichen waren immer bemüht, Biodiversität und Artenschutz, für den z.B. die Mauereidechse als „Leitart“ Hunderter anderer Arten steht, lächerlich zu machen.
Verkehrsverlagerung von der Schiene auf die Straße
Die Kapazitätsverkleinerung von Stuttgart21 (s …) führt zu einer Verlagerung von Verkehr auf die Straße („Verkehrswende rückwärts“). Hundertausende zusätzlich gefahrene Autokilometer würden je nach Szenario bis 2050 zwischen 2 und 4 Mio. Tonnen Treibhausgase freisetzen. Entsprechend auch die Zunahme von Stickoxyd-Ausstoß.
Bodenversiegelung in großem Stil
Großprojekte wie insbesondere Stuttgart21 gehen mit massiven Bodenversiegelungen einher. Obwohl es längst Stand der Klimawissenschaft ist, dass Böden für den aktiven und passiven Klimaschutz eher entsiegelt werden müssen, geht Stuttgart21 mit massiven Bodenversiegelungen einher. Besonders auf dem Gleisvorfeld (s. unten) und auf den Fildern, wo viele Hundert Hektar besonders fruchtbarer versiegelt wurden und werden sollen.
Auch weiterhin Betonexzesse
Die besonders im Tunnelbau erforderte Zementproduktion ist weltweit der zweitgrößte Treibhausgasemittent. Der Stahlbetonverbrauch des bisher geplanten Stuttgart21 würde 1,6 Mio. t Treibhausgase emittieren. Die geplanten Ergänzungsprojekte (Stuttgart21 II) würden die Emissionen um 730 000t THG erhöhen.
Unzureichender Brandschutz
Brandbekämpfung in Tunneln nicht beherrschbar
Stuttgart 21 ist ein System von 57 km weit verzweigten Tunnelröhren mit dem Tiefbahnhof in der Mitte, in den alle Röhren münden, offizielle Bezeichnung „Tunnelspinne“. Vorgesehen ist ein S-Bahn-artiger Betrieb (kurzer Abstand der Zugfolge), Dieses System ist daher viel komplexer als ein üblicher Eisenbahntunnel ohne Verzweigung, welcher nur in größerem Zeitabstand von einzelnen Zügen befahren wird. Das führt zu viel höheren Risiken im Brandfall.
Weil die Leistungsfähigkeit des Großprojekts weit hinter den Erfordernissen an einen modernen Bahnknoten zurückbleibt, sind inzwischen umfangreiche weitere Ergänzungen (zweites Stuttgart 21) mit zusätzlichen 47 km Tunnelröhren vorgesehen. Sie verschlingen einige Milliarden Euro mehr, benötigen weitere Jahrzehnte Bauzeit und werden mit denselben Mängeln beim Brandschutz geplant.
Eine Röhre eingespart – Sicherheit verschenkt
Gebaut wird Stuttgart 21 nach dem Zwei-Röhren-Prinzip, also eine Röhre für jede Fahrtrichtung. Zwischen beiden Röhren sind im Abstand von 500 m Querschläge mit Schleusen zum Überwechseln. Evakuierung und Rettung aus einem im Tunnel liegengebliebenen Zug müssen über die Gegenröhre erfolgen. Konkret führt dies dazu, dass im Brandfall Hilfe und Rettung durch Feuerwehr und Rettungskräfte (sogenannte Fremdrettung) innerhalb der bis zur tödlichen Verrauchung des Tunnels verbleibenden Zeit unmöglich ist. Die Stuttgarter Feuerwehr geht von 20 Minuten bis zu ihrem Eintreffen am Brandort aus. Die Menschen im Tunnel sind deshalb ausschließlich auf Selbstrettung angewiesen.
Hingegen ist der aktuelle Stand der Technik das Drei-Röhren-Prinzip wie z.B. im Eurotunnel und bei der Zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München. Die 3. Röhre dient als sicherer Fluchtort und zum schnellen Zugang für Feuerwehr und Rettungskräfte. Damit besteht die Möglichkeit der Fremdrettung. Aus Kostengründen wurde bei Stuttgart 21 darauf verzichtet.
Fluchtweg versperrt
Der Zugang zum Querschlag weg vom Rauch kann durch den Brandherd oder andere Hindernisse (z.B. entgleister Zug) versperrt sein. Dann gibt es nur den Fluchtweg im Brandrauch mit der Gefahr des Todes durch Rauchgase. Für die Menschen, die sich aus den im Tunnel oberhalb des brennenden Zuges anhaltenden weiteren Zügen retten müssen, gibt es die Möglichkeit, durch einen rauchfrei zu haltenden Bereich zu fliehen, überhaupt nicht. Denn der Rauch wird vom Brandherd aus bergauf in ihre Richtung geblasen.
Brandbekämpfung und Rettung im Kopfbahnhof ungleich besser möglich
Der Gedanke, den bestehenden oberirdischen Kopfbahnhof zu ertüchtigen, was Stuttgart 21 samt den weiteren Ergänzungen (zweites Stuttgart 21) überflüssig machen würde, stößt bei den Verantwortlichen trotz ungeklärter Finanzierung der explodierenden Kosten bisher auf keine Gegenliebe. Dabei sind Löschen und Retten im Freien ungleich besser und schneller möglich als im Kellerbahnhof und in weit verzweigten Tunneln.
Keine Hilfe von Außen
Die Menschen im brennenden Zug und in den Folgezügen sind ausschließlich auf Selbstrettung angewiesen.
Bereits der Ausstieg ist angesichts des Höhenunterschiedes von ca. 90 cm zwischen Zugtüren und Gleisbett für in der Mobilität Eingeschränkte (Behinderte, Alte, Familien mit kleinen Kindern) kaum zu bewältigen. Schon das Verlassen des Zuges dauert für alle Passagiere angesichts nicht ausreichend zur Verfügung stehender Rettungsleitern und des Rückstaus auf dem schmalen Fluchtweg viel zu lange. Rollstuhlfahrer haben keine Chance. Bei der Flucht zum nächsten Querschlag bestimmt angesichts der Enge der Langsamste das Tempo. Panikverhalten ist zu befürchten. Je schneller sich die tödlichen Rauchgase ausbreiten, desto kürzer die verbleibende Zeit zur Rettung. Bei Vollbrand vergehen bis zur völligen Verrauchung weniger als 10 Minuten, zumal die S21-Röhren aus Kostengründen einen kleineren Querschnitt als andere Bahntunnel haben und der Rauch deshalb schneller die ganze Röhre füllt.
Experiment mit tödlichem Ausgang
Unglaublich: Es gibt keinerlei Untersuchungen, wie sich die Menschen aus bis zu drei Zügen vor der völligen Verrauchung der Tunnelröhre und der damit verbundenen Ausbreitung der tödlichen Rauchgase selbst in die Gegenröhre retten können, die erst freigefahren werden muss. Die Bahn beruft sich nur auf nicht mehr vorhandene Simulationen, wonach bei einem Kaltereignis (Liegenbleiben ohne Brand) und ohne Berücksichtigung von in der Mobilität Eingeschränkten die Insassen eines Zuges in ca. 11 Minuten sich selbst retten könnten. Schon dieses nicht nachprüfbare Ergebnis bedeutet aber, dass Passagiere von bis zu drei Zügen, darunter in der Mobilität Eingeschränkte, sich keinesfalls vor Ausbreitung der tödlichen Rauchgase, also in weniger als 10 Minuten, in die – zunächst von Zügen befahrene – Gegenröhre werden retten können.
Die Bahn hat sich verrechnet
Die bislang für Notfallsituationen zugrunde gelegten Personenzahlen in einem zu evakuierenden Zug (offizielle Berechnungsgröße für die Personenzahl sind derzeit 1.757 Menschen) werden bei der geplanten Inbetriebnahme von Stuttgart 21 überholt sein, denn der Einsatz von Zügen mit weit mehr als 2.000 Menschen ist bereits vorgesehen, längerfristig sogar mit über 3.000 Menschen. Gleichermaßen werden bei den vorgesehenen bis zu 180 Doppelbelegungen täglich an den Bahnsteigen des Tiefbahnhofs im Brandfall viel mehr Menschen zu evakuieren sein als in den bisherigen Planungen angenommen.
Vorsicht, Gegenverkehr!
Sollten weitere Züge hinter dem brennenden Zug in der Röhre fahren, müssen sie hinter ihm anhalten. Auch ihre Passagiere müssen dann in die Gegenröhre evakuiert werden. Im Fildertunnel mit fast 10 km Länge sollen in jeder Röhre gleichzeitig bis zu drei Züge hintereinander fahren. Dies bedeutet im Maximalfall mehr als 5.000 Personen, die sich selbst aus der sich mit Rauchgasen füllenden Tunnelröhre retten müssen.
Die Flucht in die Gegenröhre kann aber erst dann erfolgen, wenn dort keine Züge mehr fahren und die Oberleitung geerdet ist. Also müssen zunächst bis zu drei Züge noch diese Gegenröhre passieren. Ein Anhalten der Züge in der Gegenröhre ist nicht vorgesehen, weil durch stehende Züge die Zufahrt für Feuerwehr und Rettungskräfte blockiert wäre.
Das Grundgesetz schützt Leib und Leben
Da die nötigen Verbesserungen, wie der nachträgliche Zubau einer dritten Röhre oder die drastische Reduzierung der Anzahl von gleichzeitig im Tunnel fahrenden Zügen, unrealistisch sind, ist das gesamte Projekt Stuttgart 21 zum Scheitern verurteilt! Denn die Gefährdung von Leben und Gesundheit der Bahnreisenden und Bahnbediensteten aus rein finanziellen Gründen verstößt gegen die Grundrechtsgarantie unserer Verfassung und wird die Erteilung der nach Baufertigstellung erforderlichen Inbetriebnahme-Genehmigung nicht zulassen.
Brennender Zug im Tiefbahnhof
Falls ein Zug im Tunnel brennt, ist seine Weiterfahrt bis zum Tiefbahnhof und dort die Evakuierung und Brandbekämpfung vorgesehen, in der Gegenrichtung Weiterfahrt bis zum Verlassen des Tunnelsystems und außerhalb des Tunnels Hilfe und Rettung. Das kann nur funktionieren, wenn der Zug technisch fahrfähig bleibt und trotz enger Zugfolge die davor liegenden Streckenabschnitte frei sind. Das Anhalten eines brennenden Zuges im Tiefbahnhof stellt enorme Anforderungen an die Evakuierung der sich bereits im Bahnhof befindenden Menschen sowie an den raschen Zugang von Feuerwehr und Rettungskräften von außen in den Tiefbahnhof trotz Paniksituation. Bleibt der brennende Zug jedoch im Tunnel liegen, ist das Geschehen nicht mehr beherrschbar.
Rette sich, wer kann
Wenn ein brennender Zug im Tunnel liegenbleibt, soll zur Rauchbekämpfung vom Schwallbauwerk (im Talkessel in der Nähe des Tiefbahnhofs) Luft eingeblasen werden. Dadurch soll der Rauch vom Brandherd weg in Richtung Tunnelende getrieben werden. Die Menschen im brennenden Zug (derzeit maximal 1.757 Personen) müssen sich selbst ohne Hilfe von außen durch den nächstgelegenen Querschlag in die Gegenröhre retten.
Zwar ist vorgesehen, dass sich die fliehenden Menschen auf die beiden nächstgelegenen Querschläge aufteilen, also zu demjenigen in Richtung der Zugspitze und zum anderen in Richtung des Zugendes. Um bei der Flucht nicht vom Rauch eingeholt zu werden, müssen sie aber zwingend entgegen der Richtung der eingeblasenen Luft fliehen. Statt zu zwei Querschlägen ist nur die Flucht zu einem Querschlag möglich.
Mangelhafte Leistungsfähigkeit
8 Gleise reichen nur für 32 Züge
Der zentrale Kritikpunkt an S21 ist, dass der Tiefbahnhof nicht einmal die 37 Züge in der Spitzenstunde bewältigt, die heute noch im „alten“ Kopfbahnhof fahren. Und dass an eine Erhöhung der Leistung überhaupt nicht zu denken ist.
Es gibt in Deutschland und vermutlich weltweit keinen großen Bahnhof, in dem mehr als 4 Züge pro Stunde und Gleis abgefertigt werden können. Alle Bahnhöfe, in denen fahrplanmäßig mehr als 4 Züge fahren (z.B. Köln, Hamburg) haben massive Pünktlichkeitsprobleme. Denn jeder Zug mehr überfordert den Bahnhof und führt dazu, dass Verspätungen entstehen, verstärkt und an weitere Züge weitergegeben werden.
Stuttgart braucht mindestens 14 Gleise
Stuttgart ist ein Mittelpunktsbahnhof, in dem sich die Züge aus 14 Richtungen kreuzen (6 Fernverbindungen und 8 Nahverkehrsverbindungen). Soll man von jeder Richtung in jede Richtung komfortabel umsteigen können, müssen alle 14 Züge gleichzeitig im Bahnhof auf umsteigende Fahrgäste warten können. Bei nur 8 Gleisen ist der Zug in die 6 verbleibenden Richtungen entweder gerade abgefahren, oder für die Fahrgäste der 6 verbleibenden Richtungen fährt der Zug ab, bevor sie umsteigen können.
Der sogenannte „Integrale Taktfahrplan (ITF)“ hat zum Ziel, alle Züge des Fern- und Nahverkehrs miteinander zu verknüpfen. Er ist in der gesamten Schweiz zum Erfolgsmodell bis in die letzten Dörfer geworden. In Stuttgart ist er aber nicht möglich, weil der Tiefbahnhof nur 8 Gleise hat. Der bestehende Kopfbahnhof hingegen hat 16 Gleise: die erforderlichen 14 plus zwei für Sonderzüge und Problemsituationen.
Stuttgart wird abgehängt
Die Projektbetreiber haben inzwischen erkannt, dass der Tiefbahnhof viel zu klein ist, ein Flaschenhals. Sie planen deshalb über 40 Kilometer weitere Bahntunnels, um die sogenannten „Zulaufstrecken“ zu verbessern. Dadurch kommen die Züge jedoch nur schneller bis zum Tiefbahnhof, aber nicht schneller und zahlreicher hindurch. Durch einen Flaschenhals passt nicht mehr hindurch, wenn man einen größeren Trichter nimmt. So bleiben diese Maßnahmen vor allem ein Geschenk an die Tunnelbohrfirmen.
Zusätzlich plant man seit 2023, die Vorortbahnhöfe Vaihingen, Feuerbach und Bad Cannstatt zu „Regionalhalts“ auszubauen (in Vaihingen ist das schon geschehen) und durch tangentiale Linien miteinander zu verbinden. Damit verfolgt man das Ziel, ein Gutteil der Züge am Stadtzentrum und Hauptbahnhof vorbeizuführen, damit sie den zu kleinen Tiefbahnhof nicht belasten.
So wird aus einem Projekt, das angeblich verhindern sollte, „dass die Züge an Stuttgart vorbeifahren“ zu einem Projekt, das dafür sorgt, „dass die Züge an Stuttgart vorbeifahren“.
Stresstest ohne Stress
Die Betreiber von S21 behaupten bis heute, beim „Stresstest“ sei bewiesen worden, dass der Tiefbahnhof 30 Prozent mehr leiste als der bestehende Kopfbahnhof. Das ist aus zwei Gründen falsch: 1. wurde dabei der Leistung des Tiefbahnhofs nicht die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs gegenübergestellt, sondern lediglich die Leistung, die er zurzeit regelmäßig erbrachte (37 Züge in der Spitzenstunde). Übergangen wurde dabei, dass er bis zu 50 Züge in der Spitzenstunde bewältigen kann. 2. wurde die Leistung des Tiefbahnhofs mit einer Vielzahl von Tricks und Regelverstößen künstlich auf 49 Züge in der Spitzenstunde hochgerechnet. Tatsächlich wurde dabei aber z.B. durch die Software systematisch jeder Stress ausgeschlossen. Z.B. kamen nur Verspätungen von weniger als 5 Minuten vor, was in der offiziellen Bahn-Statistik gar nicht als Verspätungen gezählt wird. Das Faktencheck-Portal „Wikireal“ hat sämtliche Tricks und Regelverstöße systematisch offengelegt.
Beschädigt Gäubahn und mehr
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Beschädigt das Stadtklima
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Kosten kannibalisieren bundesweit
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Demokratie missachtet
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Rechtsweg behindert
S21 – eine juristische Fundgrube
Selbstverständlich ist ein Großprojekt wie Stuttgart 21 mit vielen juristischen Fragen verbunden. Dies führte und führt immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, die Staatsanwaltschaften und Gerichte beschäftigen. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 wie auch einzelne in ihm vertretene Gruppen sowie Privatpersonen haben im Lauf der Jahre nicht nur Strafanzeigen erstattet, sondern auch Prozesse geführt.
Alle Rechtsfragen und Verfahren hier darzustellen, würde den Rahmen völlig sprengen.
Fehlende Klagebefugnis als Wunderwaffe
Im Zusammenhang mit den Genehmigungsverfahren für das Projekt wurden und werden immer noch Verfahren bei den Verwaltungsgerichten geführt. Mit der Feststellung, die Kläger seien nicht klagebefugt, gelang es den Gerichten in vielen Fällen, sich nicht inhaltlich mit vorgebrachten Mängeln des Projekts befassen zu müssen. Deshalb sind Klagen gegen Genehmigungen und insbesondere gegen Planfeststellungsbeschlüsse kaum möglich. Die geforderte Klagebefugnis wird im Regelfall nur betroffenen Grundstückseigentümern oder Umweltverbänden im Rahmen von Naturschutzfragen zugebilligt.
Juristische Pünktlichkeit der S-Bahn
Auch bei der Frage, ob wegen häufiger Störungen der S-Bahn eine Ausweichstrecke nötig sei, hat sich die Gegenwart des Jahres 2006 in eine andere Zukunft als damals angenommen entwickelt. Damals stellte der VGH fest: „Der Gutachter Prof. Dr.- Ing. Martin, auf dessen im Klageverfahren vorgelegte Stellungnahme vom 2.6.2005 die Beigeladene insoweit Bezug nimmt, hat nämlich zutreffend bemerkt, dass die S-Bahn in Stuttgart eine sehr hohe Pünktlichkeit von über 98% aufweist.“
Heute klingen diese Ausführungen zur Pünktlichkeit geradezu wie ein Märchen aus einem fernen Land. Doch als Folge dieser aus heutiger Sicht krass falschen Annahme, man benötige keine Ausweichstrecke, gibt es bei S 21 keine Lösung für die seit Jahren immer massiver werdenden Störungen des S-Bahn-Betriebs.
Untreue, Betrug und Korruption typisch für ein Großprojekt?
Spätestens mit immer neuen nicht finanzierten Kostensteigerungen entstand der Verdacht von strafbaren Pflichtverletzungen der Projektverantwortlichen. Mit mehreren Strafanzeigen wurde versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Dazu ist die Seite https://stuttgart21.strafvereitelung.de/ aufschlussreich und enthält zahlreiche Dokumente.
Regelmäßig berichten Medien auch über den Verdacht auf Korruption und Betrug im großen Stil bei Auftragsvergaben und Abrechnungen.
David gegen Goliath
Vor der Erwartung, die Gerichte könnten durch ihre Entscheidungen das Projekt stoppen, muss dringend gewarnt werden. Denn oft sind technische Einzelheiten nur schwer zu durchdringen und Prozessvortrag und Gutachten der Projektträger sind falsch, wie es sich erst viel später erweist. Die persönlichen, finanziellen und sachlichen Ressourcen sind sehr ungleich verteilt und schränken die rechtlichen Möglichkeiten stark ein.
Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen langsam
Zu beklagen ist, dass gerichtliche Verfahren in der Regel sehr lange dauern, hohe finanzielle Risiken bergen und währenddessen der Weiterbau Fakten schafft.
Beispielhaft sei eine Klage gegen das baden-württembergische Staatsministerium wegen Einsichtnahme in Unterlagen zum Polizeieinsatz vom 30.9.2010 und damit zusammenhängende Vorgänge beim Untersuchungsausschuss des Landtages und dem sogenannten Schlichtungsverfahren unter Heiner Geißler genannt. Von der Antragstellung bis zur gerichtlich erstrittenen Einsichtnahme in alle Unterlagen dauerte es nahezu zehn Jahre. Der Rechtsstreit beschäftigte das Verwaltungsgericht Stuttgart, den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und sogar den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.
Staatliche Gewalt im Schlossgarten
Der brutale Polizeieinsatz vom 30.9.2010 führte zu etlichen Ermittlungs- und Strafverfahren. Er wurde vom Verwaltungsgericht Stuttgart später für rechtswidrig erklärt. Dieser Einsatz diente der Durchsetzung des Projekts Stuttgart 21 und ermöglichte rechtswidrige Baumfällungen im Schlossgarten. Unter anderem kam es später zur Bestrafung des damaligen Polizeipräsidenten sowie zu einem Strafprozess beim Landgericht Stuttgart gegen zwei verantwortliche Abschnittsleiter, außerdem zu mehreren Verurteilungen einzelner Polizeibeamter wegen Körperverletzungsdelikten.
Integraler Taktfahrplan im Lichte der Justiz
In einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahr 2006 heißt es: „Die planerische Rechtfertigung scheitert ferner nicht daran, dass im geplanten achtgleisigen Durchgangsbahnhof eine Vollstufe eines integralen Taktfahrplans in dem Sinne, dass ein Umsteigen von (nahezu) sämtlichen zum Hauptbahnhof führenden oder von ihm abgehenden Verbindungen zur gleichen (vollen oder gar halben) Stunde möglich ist, nicht verwirklicht werden kann.“ Aus heutiger Sicht ist nicht mehr nachvollziehbar, dass bei Planung und Bau auf die Ermöglichung dieses Integralen Taktfahrplans kein Wert gelegt wurde. Umso befremdlicher, dass trotz der klaren gerichtlichen Feststellung der Unmöglichkeit jetzt das genaue Gegenteil – der Tiefbahnhof ermögliche erst einen Taktfahrplan – behauptet wird.
Brandschutzklage gegen das Eisenbahn-Bundesamt
Aktuell ist eine sogenannte Brandschutzklage beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg anhängig.
Stellvertretend für das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 haben die Schutzgemeinschaft Filder e.V. als anerkannter Umweltverband sowie drei Privatpersonen, darunter ein Rollstuhlfahrer, Klage erhoben. Sie wollen damit eine Änderung der nach ihrer Ansicht mangelhaften Planfeststellungsbeschlüsse wegen des nicht funktionierenden Brandschutzes in den S21-Tunneln erzwingen. Immerhin hatte sich der Verwaltungsgerichtshof schon 2006 folgender Aussage zur Gefährlichkeit von Tunnelbränden angeschlossen: „Im Übrigen treffe es nicht zu, dass Tunnelstrecken gefährlicher seien als oberirdische Strecken. Dies sei allenfalls bei Brandfällen richtig.“
Bürgerwillen missachtet
In Stuttgart wurden mehrere Bürgerbegehren gegen das Projekt auf den Weg gebracht und von zehntausenden Bürgerinnen und Bürgern unterstützt. Sie wurden sämtlich vom Stuttgarter Gemeinderat zurückgewiesen. Klagen blieben erfolglos. Sie wurden nicht inhaltlich geprüft, sondern mit formalen Begründungen abgeschmettert.
Schätzen kann fehlen – selbst bei Gericht
Eine juristische Entscheidung ergeht immer auf der Grundlage des aktuellen Kenntnisstandes. Und der war zum Zeitpunkt des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs im Jahr 2006 so, dass die Zulaufstrecken zum geplanten Tiefbahnhof nicht leistungsfähig waren (was zweifellos zutrifft). Nur mit der Prognose, eine gesteigerte Nachfrage und eine Verbesserung der Zulaufstrecken (außer der sogenannten P-Option) sei in den nächsten 50 Jahren nicht zu erwarten, lag das Gericht völlig daneben. Diese Fehleinschätzung führt nun aber dazu, dass mit den geplanten Zubauten auf den Zulaufstrecken (genannt Stuttgart 21 II) der Tiefbahnhof mit Sicherheit unterdimensioniert sein wird.
Und so wagte der VGH einen Blick in die Zukunft und schloss sich einem Gutachten an: „Eine Überlastung des achtgleisigen Durchgangsbahnhofs könne erst eintreten, wenn die Zulaufsituation über die Option P hinaus verbessert werde, woran jedoch in den nächsten fünfzig Jahren nicht zu denken sei. Eine entsprechende Nachfrage könne gegenwärtig nicht vorhergesehen werden.“ Und weiter: „Eine insoweit vorausgesetzte und vielleicht in ferner Zukunft mögliche Beseitigung der Engstellen im Zulauf auf den Knoten Stuttgart ist aber weder geplant noch absehbar.“
Deutsche Umwelthilfe kämpft für den Erhalt der Gäubahnverbindung
Die DUH hat juristische Schritte gegen das Eisenbahn-Bundesamt eingeleitet. Sie will dadurch die „Abbindung“ der Gäubahnstrecke verhindern, weil sie als Folge der Sperrung ein klimaschädliches Umsteigen der Reisenden auf das Auto befürchtet. Denn ab der geplanten Inbetriebnahme von Stuttgart 21 im Dezember 2025 soll diese Schienenstrecke, die Stuttgart mit dem südlichen Landesteil sowie der Schweiz und Italien verbindet, in Stuttgart-Vaihingen enden. Reisende müssten dann mit der S-Bahn oder Stadtbahn von Vaihingen aus weiterfahren, um ins Stuttgarter Zentrum zu gelangen. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn sie vom künftigen Tiefbahnhof aus die Weiterreise mit der Bahn antreten müssen. Diese Streckenunterbrechung soll mindestens 7 Jahre, vermutlich aber tatsächlich 15 bis 20 Jahre dauern, bis nämlich die Gäubahn wie geplant über den Stuttgarter Flughafen zum Tiefbahnhof geführt werden kann.