1.Nach dem Deubel-Urteil geht die Angst um“ – 3,5 Jahre Gefängnis für Ex-Finanzminister Deubel (SPD) wegen Untreue, Urteil des LG Koblenz

(Der Politikwissenschaftler Prof. Jürgen Falter  am 17.04.14 im Deutschland-Funk)

Die Strafanzeige gegen Grube, Kefer, Aufsichtsräte und Pofalla liegt mit weiterer Beschwerde beim Generalstaatsanwalt in Berlin (das betrifft zugleich Justizsenator Heilmann, CDU).

Deren Zurückweisung wegen „Plausibilitätsgutachten“ – auf Basis der Angaben der Beschuldigten – wäre geradezu Rechtsbeugung, denn – ohne Rücksicht auf die Wahrheit  –  eine nur „plausible“, also bloß in sich widerspruchsfreie Behauptung gelten zu lassen, ist mit der Strafprozessordnung absolut unvereinbar.

Müssen strafrechtliche Ermittlungen gegen Grube & Co stattfinden, geriete der Weiterbaubeschluss vom 5. März 2013 zu S 21 ins Wanken.

Die Folge wäre zunächst auf politischer Ebene: Die im Februar 2013 auf Geheiß der Kanzlerin ausgeübte Nötigung, S 21 weiterzubauen, wäre schwerlich beizubehalten, ohne – was  auch für  Bundesverkehrsminister Dobrindt gilt – strafrechtliche Folgen zu riskieren.

2. Thema verfassungswidrige Mischfinanzierung von S 21 durch Stadt und Land

Dazu läuft das Berufungsverfahren zum zweiten Bürgerbegehren gegen ein Urteil des VG Stuttgart beim VGH. Die Verhandlung darüber ist im Herbst 2014 zu erwarten.

Immerhin geht es beim Verfassungsverbot der Mischfinanzierung um einen „tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung“ (BVerfG).

Gewinnen wir den Prozess, bricht gut ein Drittel der Finanzierung des Projekts weg mit der Folge, dass dies das sichere Aus bedeutet. Nach einem VGH-Entscheid bliebe aber eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht möglich.

Da sich Stadt und Land dann – wegen zwingender Beachtung der Verfassung – an keinen Kosten beteiligen dürfen, bleibt die DB bei Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung an den Kosten hängen.

3. Es gibt eine Reihe möglicher Bruchstellen der änderungsbedürftigen oder noch gar genehmigten Teilabschnitte zu S 21 mit möglichen schweren Kostenfolgen, etwa

  • beim Nesenbachdüker
  • beim GWM
  • auf den Fildern
  • in Untertürkheim
  • beim Brandschutz

Auch hier kann die Inkaufnahme solcher Kostenfolgen aktienrechtlich wegen Schadensersatzansprüchen und strafrechtlich wegen Untreue harte persönliche Konsequenzen auslösen (siehe Ziffer 1).

4. Das dritte und vierte Bürgerbegehren wegen Kostenlüge und Leistungslüge 

Hier braucht es jedenfalls noch im Mai und Juni 2014 einen klug angelegten, kraftvollen Endspurt durch hoch engagierte Aktive der Bürgerbewegung, um die notwendige Zahl von 20000 gültigen Unterschriften sicher zu überschreiten

a) 3. Bürgerbegehren – Storno 21

Die Geschäftsgrundlage des Finanzierungsvertrags mit seinem Kostendeckel ist seit dem 12.12.2012 – Geständnisse der Bahn zu Milliarden Euro Mehrkosten – weggefallen  –  das hat am 17.07.13 auch das VG so gesehen.

Die gesetzliche Folge ist Vertragsanpassung oder Kündigung (§ 60 VwVfG).

Zu erwarten ist – sobald der GR das BB ablehnt – gerichtliches Eilverfahren:

– Sehr wahrscheinlich würde bei Vertragsanpassung festgestellt, dass diese für die Stadt zumutbar ist, weil die Bahn als Projektträger für ihre eigenen Fehler haften muss  –  das brächte die Kalkulation der Bahn ins Wanken

– Bei gerichtlicher Anerkennung des Kündigungsrechts der Stadt, hätte dies eine große politische Sprengkraft mit ungewissem Ausgang – schon dieses Ergebnis wäre ein Riesenerfolg. Und  das  könnte der Stimmung gegen das Projekt gewaltigen Auftrieb geben – selbst für einen Bürgerentscheid.

b) 4. Bürgerbegehren wegen S 21-Leistungsrückbau

Ähnliche Konstellation wie zuvor, eher kein Eilverfahren, aber mit enormen Gefahren für die Bahn und Entscheider, die das Thema ignorieren, weil jeder Tag des Weiterbaus von S 21 seine Schadensfolgen steigert.

5. Was die Folgekosten eines Ausstiegs aus Stuttgart 21 betrifft, können gerichtlich anerkannte Rechte der Stadt auf keinen Fall zu Schadensfolgen zu Lasten der Stadt führen.

Schlimmstenfalls bleibt die Stadt an verauslagten Kosten hängen und muss sich entsprechend ihrem vertraglichen Finanzierungsanteil an Kosten eines qualifizierten Ausstiegs aus S 21 beteiligen, die naturgemäß weit unter dem liegen, was bei der Ausführung des Projekts mit Beteiligung der Stadt zu erwarten wäre.

6. Zu ergänzen ist noch folgende Variante: Beim VG Stuttgart schwebt die Klage der Stuttgarter Netz AG gegen das EBA, weil das von der Bahn an die Stadt verkaufte Gleisvorfeld bisher gar nicht entwidmet wurde und bei fortbestehendem Verkehrs-bedarf nicht entwidmet werden darf (vgl. Gutachten Prof. Kramer aufgrund AEG).

S 21 ist bei fortbestehendem Kopfbahnhof wirtschaftlich unsinnig, weil die Bahn von der Stadt dann die Grundstücke zurückerwerben und weiter nutzen müsste.

7. In Strafverfahren wegen Nötigung durch Sitzblockaden (Fall Wolfgang Sternstein) hat das Landgericht Stuttgart in wenigen Monaten zu entscheiden, ob dem Beschuldigten aus den oben genannten Gründen eine sein Handeln rechtfertigender Notstand zur Seite stand. Auch eine solche Entscheidung könnte zum Ausstieg zumindest aus politischer Vorsicht der Entscheidungsträger – siehe oben Ziffer 1 –  beitragen.