(hier die Pressemitteilung als pdf-Datei)

Prozess um fehlenden S21-Brandschutznachweis

Führt die Bahn die Justiz mit Falschaussagen in die Irre?

Verrückte Welt: Erst prozessiert die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH (PSU) jahrelang mit der Begründung, sie wolle ihre Simulationen zur Evakuierung von Bahnreisenden aus S21-Tunneln im Brandfall aus Sicherheitsgründen geheim halten. Dann – nachdem sie von den höchsten Verwaltungsrichtern des Landes zur Offenlegung verpflichtet wird – prozessiert sie wieder jahrelang mit der Behauptung, sie müsse gar nicht die Simulationen zeigen, sondern nur einen Bericht darüber. Und als sie schließlich – nach fast sechs Jahren – mittels Zwangsvollstreckung gegen den PSU-Vorsitzenden Olaf Drescher zur Offenlegung der Simulationen gebracht werden soll, behauptet sie, es gebe gar keine Simulationen mehr und kontert mit einer Zwangsvollstreckungsabwehrklage. So wird nun der Kläger, der sein Recht auf Einsichtnahme beim Verwaltungsgerichtshof durchgesetzt hatte, selbst zum Beklagten und soll in dieser endlosen Posse nun auch noch die Kosten der Zwangsvollstreckung tragen.

Ob das Verwaltungsgericht Stuttgart diesen neuen Winkelzügen folgt, wird sich in der Verhandlung am kommenden Freitag, 12. April 2024, um 11:00 Uhr zeigen. Das Gericht will mithilfe zweier Zeugen der Firma Gruner AG aus der Schweiz klären, ob die eingeklagten Simulationen tatsächlich im zweiten Quartal 2016 – längst vor den Prozessen – gelöscht waren und die PSU also die Beteiligten und die Gerichte getäuscht hat.

Nach ihrer eigenen Darstellung hätte die PSU nicht nur den Kläger – die projektkritischen Ingenieure22 –, sondern auch sämtliche mit dem nun fast acht Jahre dauernden Verfahren befassten Richterinnen und Richter zum Narren gehalten. Denn diese hatten sich entsprechend dem Prozessvortrag der PSU intensiv mit den behaupteten Sicherheitsbedenken befasst. Die PSU hätte aber die Anträge auf Einsichtnahme schon im Juli 2016 und erneut im September 2016 mit der Begründung ablehnen müssen, die Simulationen existierten gar nicht (mehr).

Wolfgang Kuebart (Ingenieure22): „Das Verhalten der Bahn erinnert mich an unsere Klage im Jahr 2015 auf Herausgabe der Azer-Liste zu den Risiken von Stuttgart 21. Damals führte unser Antrag auf Zeugenvernehmung von Infrastrukturvorstand Kefer und S21-Chef Leger zur Veröffentlichung der Liste, von der die Bahn zuvor ebenfalls behauptet hatte, sie sei verschwunden. Zudem könnte – im aktuellen Fall – die PSU jederzeit die angeblich gelöschten Simulationen nochmals erstellen lassen.“

Dieter Reicherter, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21: „Offenbar sollte von Anfang an vertuscht werden, dass die PSU keinerlei Nachweis dafür hat, wie im Brandfall die Menschen aus einem Zug im S21-Tunnel lebend evakuiert werden sollen. Denn die Menschen sind auf Selbstrettung angewiesen, weil Feuerwehr und Rettungskräfte nicht schnell genug am Brandort eintreffen können. Jedoch ist die Tunnelröhre bei einem Vollbrand in höchstens 10 Minuten mit den tödlichen Rauchgasen komplett verraucht. Dann bleibt keine Überlebenschance mehr.“

Schon am 14.5.2012 hatte das Regierungspräsidium Stuttgart die Bahn aufgefordert, eine „Entfluchtungssimulation Zug im Tunnel einschließlich Nachweis Verhinderung Rauchübertritt in den Querschlägen“ vorzulegen. Und am 22.1.2014 berichtete die PSU im „Arbeitskreis Brandschutz Projekt Stuttgart-Ulm“ den Vertretern des Regierungspräsidiums und der Stuttgarter Feuerwehr, die Firma Gruner AG habe durch Simulationen die Berechnungen der Bahn bestätigt. Damit hatte sie jedoch den Arbeitskreis hinters Licht geführt, denn sie ließ ihn in dem Glauben, die angeführte Simulation beziehe sich auf einen Brandfall, während sie sich in Wahrheit lediglich auf ein harmloses „Kaltereignis“ bezog. In der Verhandlung am 12.4.2024 wird zu klären sein, warum die angebliche Löschung dieser Simulationen während der gesamten Prozessdauer geheim gehalten wurde.

Kontakt:
Dieter Reicherter, 07192 930 522 oder 0151 263 711 31
Wolfgang Kuebart, Tel. 0711 653 706 oder 0152 265 933 51