Stuttgart. „Die Bahn hat aus dem bisherigen Planungschaos rund um Stuttgart 21 offenbar nichts gelernt. Auch bei den Änderungen am Grundwassermanagement handelt sie gegen die Grundsätze von Transparenz und vernünftiger Risikobewertung“, sagte BUND-Landesvorsitzende Dr. Brigitte Dahlbender anlässlich des Beginns der Erörterungsverhandlung am heutigen Montag, „für die Planänderungen beim Grundwassermanagement muss zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung nachgeholt werden. Andernfalls wäre ein Planfeststellungsbeschluss am Ende dieses Verfahrens rechtswidrig.“

Aus einem vom BUND in Auftrag gegebenen Gutachten des Rechtsanwalts Dr. Tobias Lieber geht hervor, dass bereits mit dem Antrag auf eine drastische Erhöhung der Grundwasserentnahmemenge eine Vorprüfung möglicher Umweltauswirkungen hätte durchgeführt werden müssen. „Die Rechtslage ist eindeutig: Wenn ein Vorhaben geändert werden soll, für das schon ursprünglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorgeschrieben war, ist immer zu prüfen, ob sich auch aus der Änderung nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt ergeben können“, erläutert Rechtsanwalt Lieber, „eine solche Vorprüfung wäre beim Grundwassermanagement erforderlich gewesen, da das Projekt Stuttgart 21 schon von Anfang an UVP-pflichtig war. Eine solche Vorprüfung wurde aber nicht durchgeführt.“ Lieber unterstreicht, dass eine Vorprüfung nur zu dem Schluss hätte kommen können, dass die Planänderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann und damit eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. „Angesichts der komplexen Geologie, des FFH-Gebiets Rosensteinpark, des Heilquellenschutzgebiets und der hohen Bevölkerungsdichte sowie mit Blick auf die riesige Menge an Grundwasser, die zusätzlich entnommen werden soll, kann die Möglichkeit nachteiliger Umweltauswirkungen ohne vertiefte Prüfung schlechterdings nicht ausgeschlossen werden“, so Lieber, „nach Absicht der Bahn sollen mindestens 12,4 statt vorher 9,1 Millionen Kubikmeter Wasser abgepumpt werden. Außerdem beantragt die Bahn die Erlaubnis, bei unerwartet hohen Grundwasserständen zusätzlich noch in unbegrenzter Menge Grundwasser entnehmen zu dürfen. Eine solche Blanko-Erlaubnis gab es bundesweit noch nie.“

In seiner Einschätzung bestärkt sieht sich Rechtsanwalt Lieber durch die Stellungnahmen der beteiligten Fachbehörden. „Meine Akteneinsicht hat ergeben, dass sowohl die Stadt Stuttgart als auch das Regierungspräsidium Stuttgart seit Beginn des Verfahrens vor 2 ½ Jahren erhebliche Zweifel hatten, ob die von der Bahn beantragte Planänderung einfach durchgewinkt werden kann“, resümiert Lieber.

Brigitte Dahlbender fordert vor diesem Hintergrund das Eisenbahn-Bundesamt auf, auf der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu bestehen. „Das Eisenbahn-Bundesamt darf sich nicht zum Erfüllungsgehilfen der Bahn machen“, so Dahlbender, „bis endgültig geklärt ist, wie sich der enorme, äußerst gefährliche Eingriff in die Natur überhaupt auf das sensible Gelände auswirkt, muss es einen Baustopp geben. Immerhin besteht die Möglichkeit, dass die Prüfung zum Ergebnis kommt, dass die Änderung nicht genehmigt werden darf.“ Eine Fortsetzung der Bauarbeiten vor der UVP diene der Bahn lediglich dazu, wieder weitere Fakten zu schaffen. „Diese Tricks der Bahn kennen die Bürgerinnen und Bürger seit Jahren, und sie haben sie inzwischen satt“, betont die BUND-Landesvorsitzende.

Kurzgutachten von Dr. Tobias Lieber

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