Liebe Freundinnen und Freunde,

irgendwann schlägt die Stunde der Wahrheit bei den großen Stuttgart 21-Lügen. Die Kostenlüge wird spätestens platzen, wenn die Mittel erschöpft sind und Rechnungen bezahlt werden müssen. Die Leistungslüge wird spätestens platzen, wenn (je) der Tiefbahnhof in Betrieb ginge und sich zeigen wird, dass er den Verkehrsbedarf nicht annähernd decken wir.

Und dann kündigte sich dieser Tage noch eine weitere Stunde der Wahrheit an. Wenn Stadt und Land in Sachen Feinstaub und Stickstoffdioxiden so kraft- und saftlos weiter machen wie bisher, drohen demnächst Strafen in Millionenhöhe, verhängt vom EuGH auf eine Anzeige der EU-Kommission wegen fortgesetzten Regelverstoßes. Nicht so schön für die grünen Spitzen in Stadt und Land.

Kuhns Dilemma: Er will der Autoindustrie und den Autofahrern, die er zu vertreten meint, nicht weh tun und Verkehrspolitik  „immer unter der Maßgabe: Wir sind eine Autostadt“ machen – schöner hätte das der ADAC in seinen schlimmsten Zeiten nicht sagen können. www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.feinstaub-in-stuttgart-kuhn-will-fahrverbote-vermeiden.26e416a7-ed6f-4ff1-99bf-c5cc7117ae81.html

Ganz schnell wurden böse Stichworte wie Fahrverbot, die Verkehrsminister Herrmann in den Mund genommen hatte, wieder aus dem Verkehr gezogen. Über so viel Ehrerbietigkeit wird sich Daimler, der gerade das Jahr des SUV (Luxusgeländewagen) ausgerufen hat, schmunzelnd freuen.

Auf der anderen Seite will Kuhn um Gotteswillen keine neue Diskussion über Stuttgart 21, obwohl dieses Projekt wohl das größte Hindernis auf dem Weg zu stadtklimatisch erträglichen Verhältnissen ist.

In der Bauphase werden Tausende zusätzliche (Diesel-)LKW-Fahren für Antransporte, z. B. der Tübbinge und Abtransport von Aushub über Stuttgarter Straßen rollen.

Die S-Bahnen und die DB sind, noch bevor das Projekt seine destruktiven Wirkungen auf den Schienenverkehr entfalten wird, so unzuverlässig, dass viele wieder aufs Auto oder auf Fernbusse umsteigen. Der Stadtbahn droht zumindest in der Bauphase ähnliches Ungemach.

Bei S21 haben weder S-Bahn noch Stadtbahn im Kernbereich Ausbaupotential. Wie will Kuhn da den Ausbau des ÖPNV zur Luftreinhaltung anbieten?

Dauerhafte Verkleinerung des HBF und Verkehrsverlagerung auf die Straße, kein Ausbaupotential der Schiene.

Baumfällungen gehen weiter

Und dann will Kuhn noch in einem demokratischen Beteiligungsprozess die Bebauung von wichtigen stadtklimatischen Ausgleichsflächen/ Rosenstein angehen.

Infos:

Über diesen Zusammenhang der Feinstaubdebatte zu Stuttgart 21 schweigt sich mit dem OB der gesamte Mainstream, einschließlich Grüne und leider auch der Umweltverbände beredt aus. Man kann ja vom „Baufortschritt“ so beeindruckt sein, dass man das Projekt für nicht mehr verhinderbar hält. Aber ist das ein Grund von den Wirkungen dieses Eingriffs, gegen den alle anderen Effekte und Maßnahmen Nasenwasser sind, zu schweigen?

So weiter mit den Bürgerbegehren!

Demokratisch, mit mehreren Infoveranstaltungen war die Kampagne zum dritten und vierten Bürgerbegehren gegen S21 gestartet worden und ebenso wurden die weiteren Schritte nach der Abweisung durch den Gemeinderat beraten: am 20. Juli in einer gut besuchten Versammlung im Forum 3.

Auch ohne förmliche Abstimmung gab es großes Einvernehmen, dass beim 3. Bürgerbegehren ein von Bündnissprecher von Loeper schon vorbereiteter Eilantrag („Antrag auf vorläufige gerichtliche Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Storno 21“) gestellt werden soll. So geschehen noch am selben Abend durch Sabine Schmidt und Peter Conradi, anwaltlich vertreten von Eisenhart von Loeper). Ein Vorgriff auf das Hauptsacheverfahren, der den Gemeinderat zur umgehenden Einleitung eines Bürgerentscheids zwingen könnte, ist nicht zu erwarten. Vor einer Vertragskündigung wäre die Stadt auch noch aufgefordert, die „mildere Variante“ einer Vertragsanpassung zu verfolgen, z.B. indem sie eine Neuverhandlung des Finanzierungsvertrags anstrebt, die eine städtische Beteiligung der an Mehrkosten definitiv ausschließt.

s. www.stuttgarter-nachrichten.de/stuttgart21

Beim vierten Bürgerbegehren soll zunächst nochmal inhaltlich Druck gemacht werden. Das Angebot von SPD und Grünen im Gemeinderat, noch einmal zur Leistungsfähigkeit öffentlich zu debattieren, soll aufgegriffen werden. Erwogen wurde auch, die Stadt aufzufordern, die Kosten des Rechtsgutachtens Prof. Kirchberg wegen zahlreicher fachlicher Mängel und Einseitigkeiten nicht zu tragen. Der hier schwierigere Weg über einen Eilantrag soll von einer Berliner Kanzlei geprüft werden. Dass es beim vierten Bürgerbegehren zu einem Bürgerentscheid kommen würde ist nahezu ausgeschlossen, denn ein Projekt, dessen mangelnde Leistungsfähigkeit festgestellt worden wäre, kann nur noch beendet werden. Dazu bräuchten die Bürger nicht mehr befragt werden.

Wenn es dennoch je zu einem Bürgerentscheid in dieser Phase des Projekts kommen sollte, war mehrheitlich klar: nie mehr zu den betrügerischen Bedingungen des Volksentscheids! Oder anders rum: nur auf der Basis gesicherter Fakten. Erst muss man sich um die Wahrheit bemühen, Herr Kuhn und Herr Kretschmann, dann kommt die Frage der Mehrheit!

Antwort auf Anfrage der Bundestags-LINKEn zu Gleisneigung und wegrollende Züge

Bestätigungen und Verharmlosungen

Wieder wird in einem wichtigen Punkt die Kritik der S21-Bewegten weitgehend bestätigt. Das ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage von Sabine Leidig und Fraktion. Bestätigt wird eine erhebliche – in dieser Form bislang nicht dokumentierte – Anzahl von Wegrollvorgängen am Kölner HBF. Eingeräumt wird auch, dass das Wegrollen bereits bei geringer Gleisneigung stattfindet und dass letztlich oder „theoretisch“ eine horizontale Gleislage Wegrollvorgänge verhindert.

Das alles hindert jedoch die Bundesregierung nicht, erneut die Risiken der sechsfach über der Norm liegende Gleisneigung des Stuttgarter Tiefbahnhofs zu bagatellisieren.

s. http://sabine-leidig.de/index.php/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/234-wegroll (mit Verweis auf Text der Anfrage). Und Winnie Wolf dazu in der aktuellen kontext- Ausgabe: www.kontextwochenzeitung.de/politik/225/wegrollende-zuege-3034.html

Zu diskutieren I:
Landtagswahlen und Stuttgart 21

Mehr oder weniger eiserne Grundsätze der Bürgerbewegung waren immer: Abstand halten zu politischen Parteien, sich nicht instrumentalisieren lassen, daher z. B. keine Parteienvertreter und -werbung auf den Bühnen der Bewegung, besonders vor Wahlen. Und wenn Parteiendiskussion, dann Äquidistanz, gleicher Abstand zu den für die Bewegung relevanten Grünen und LINKEn. Inzwischen kann man ganz unpolemisch feststellen, dass die Grünen (bei vielen persönlichen Ausnahmen, denen damit nicht auf die Füße getreten werden soll) die Seite gewechselt haben. Sie sind zur Projektpartei geworden.

Ganz leidenschaftslos ist also zu konstatieren: die LINKE ist die einzige Partei mit Chance in den Landtag einzuziehen, die sich klar gegen S21 positioniert und sich dafür einzusetzen verspricht, das Projekt zu stoppen. Ist so. Das hat die LINKE Kreismitgliederversammlung noch einmal unterstrichen, indem sie Bernd Riexinger, Bundesvorsitzender der LINKEn und bekennender S21-Gegner und vor allem den weiter parteilosen Hannes Rockenbauch, eines der Gesichter des Protests gegen S21, als Kandidaten in den Wahlkreisen  I und IV (dort auch die prominente S21-Gegenerin Ursel Beck als Ersatzkandidatin) aufstellte: www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.landtagswahl-linke-kueren-kandidaten-in-der-stadt.3f5d6287-3d7c-4d21-aaa0-dfda20e199b7.html

Preisfrage also: Wie verhält sich die Bürgerbewegung zu diesen Kandidaturen? Unterstützt sie sie offen oder zurückhaltend? Oder bleibt sie bei ihrem Kurs der parteipolitischen Abstinenz und des Raushaltens?

Wie auch immer: unstrittig dürfte sein: die S21-Kritik braucht eine laute Stimme im Landtag und die Bürgerbewegung braucht Anlaufstellen und Unterstützung auch landespolitisch – so wie sie es auf kommunaler und Bundesebene (dort auch bei den Grünen) gibt.

Zu diskutieren II:
Bahnreform II – wie?

Die DB AG, vor 21 Jahren im Zuge der Bahnreform in eine Aktiengesellschaft überführt, die der Gewinnerzielung verpflichtet ist und den staatlichen Einfluss trotz 100% Aktienbesitz des Bundes stark einschränkt, steht womöglich vor einer großen, zweiten Bahnreform. Gut so. Denn das Ergebnis des bisherigen Konstrukts ist verheerend: Einfluss auf die bundeseigene Bahn im Sinne des Gemeinwohls und der öffentlichen Daseinsvorsorge – völlige Fehlanzeige. Stattdessen nutzt die Politik ihren Einfluss, die Bahn zur Ausplünderung an Immobilien und Baufirmen freizugeben  und sie verkehrspolitisch dem Auto unterzuordnen – und schillernde Politiker wie den Lobbyisten Pofalla strategisch unterzubringen: www.golem.de/news/deutsche-bahn-pofalla-soll-vorstand-fuer-datenschutz-werden-1507-115267.html. Sinnbild und Krönung dieser selbstverschuldeten Misere ist Stuttgart 21.

Als Ausweg bietet nun die Monopolkommission die konsequente Fortsetzung des Wegs in die Privatisierung, zumindest des Verkehrs auf der Schiene und weitere Verkäufe an: www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/bahn-monopolkommission-fordert-zerschlagung-a-1044789.html.

Der Weg nach vorn zu einem gemeinwohlorientierten und intergierten Bundesunternehmen, dass sich konsequent für den Ausbau des Schienenverkehrs in der Fläche einsetzt und die Bahn als Schlüssel für eine ökologische Wende in der Verkehrspolitik einsetzt,  scheint verbaut. Eine Solidarisierung mit der DB AG, die sich gegen ihre Zerschlagung wehrt oder mit der Bahngewerkschaft EVG, die zu Recht um Arbeitsplätze fürchtet ist nach allem schwer vorstellbar.

Preisfrage hier also: welche Bahnpolitik wir wollen, haben wir zuletzt auf der Kopfmachen-Konferenz mit dem Stuttgarter Bahnmanifest www.bahn-fuer-alle.de/pages/kopf-machen-2014/stuttgarter-bahn-manifest.php deutlich gemacht. Offen ist aber die Frage, in welcher Organisationsform der Bahn wir zu diesen Zielen kommen können.

Mal nachgerechnet: Nüchternes zum „Baufortschritt“ von Dieter Haller, GgS21
Jeden Monat 1000 Meter? 

…so – mit Ausrufezeichen-  der Titel eines Interviews in dem Projektmagazin Bezug (Juni 15) mit Manfred Leger. Leger dort (Seite 18): Monat für Monat graben unsere Teams sowohl bei Stuttgart 21 als auch auf der Neubaustrecke an die 1000m Tunnel. 

Auf ihrer Internetseite  bahnprojekt-stuttgart-ulm.de   meldet die Bahn  einmal pro Woche

Vortriebszahlen. Für den Vortrieb der s21-Tunnel insgesamt meldet die Bahn: 

( %-  und Monatszahlen /D. Haller)

4533 m von 59090m  (4.5.)     = 7,67%           = 974 m im April 15

5523 m von 59090m  (1.6.)     = 9,35%           = 990 m im Mai 15

6287 m von 59090m  (29.6.)   = 10,64%         = 764 m im Juni 15

6432m                        (6.7.)        = 145m in 1 Woche

6558m                        (13.7.)       = 126m in 1 Woche

6757m                        (20.7.)       = 199m in 1 Woche 

Im Juni war der Tunnelvortrieb mit 764m also deutlich geringer als 1000m. In den ersten 3 Juliwochen bestätigt sich das. Das liegt vor allem am geringeren Vortrieb der TBM im Fildertunnel. Dort hat die TBM im Mai im Durchschnitt 134m pro Woche gebohrt. Im Juni dann im Durchschnitt 91m pro Woche. Im Juli nun in 1 Woche: 74m (6.7.)     46m (13.7.)     93m (20.7.) 

Kefer sagte bei der Anhörung des Verkehrsausschusses in Berlin zum Fertigstellungstermin 2021: „Das klappt, wenn wir pro Monat in Stuttgart einen Kilometer Tunnel bauen“ (StZ 6.5.)

Der Rohbau werde 2019 fertig (StN 7.5.).

Das Geschäftsmodell der Krisengewinner von Großprojekten

Wie man trotz Verzögerungen, Krisen und Kostenexplosionen von Großprojekten seinen Reibach machen kann, zeigt die holländische Technikausstattungsfirma imtech, die auch bei Stuttgart 21 (Ausstattung Technikgebäude) engagiert ist.

In einem guten Stück investigativem Journalismus zeigt das Rechercheteam der ZEIT (Christian FuchsStephan Lebert und Daniel Müller), wie Firmen, hier die Fa. Imtech beim Berliner Großflughafen BER, geradezu ein Geschäftsmodell entwickeln, wie man an der Dauerkrise eines Projekts bestens verdienen kann: www.zeit.de/2015/29/imtech-flughafen-berlin-ber-verzoegerung

Imtech bei Stuttgart 21: http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/auf-der-baustelle/firmen/firma/imtech-deutschland-gmbh-co-kg//ansicht/detail/

Interessant! Nachahmenswert?
Anonymer Briefkasten

Für alle, die was wissen, das sie nicht länger für sich behalten wollen, bietet DIE ZEIT einen anonymen Briefkasten an. Wie das funktioniert, hier: www.zeit.de/briefkasten/index.html

Sehenswert

Brigitte  Dahlbender auf der Montagsdemo zu den Montagsdemos

Die langjährige Landesvorsitzende des BUND, SPD-Gemeinderätin in Ulm und zusammen mit Hannes Rockenbauch bis zur Volksabstimmung Sprecherin des Aktionsbündnisses sprach auf der letzten Montagsdemo, lobte den Widerstand und vieles was er erreicht habe, die Montagsdemos und ihr Durchhaltevermögen, ermunterte weiter zu machen und bot ihre Kooperation in der Auseinandersetzung mit Stuttgart 21 an (ab 1.40 und besonders ab 11.15):

https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=Y4OeGilSXoo