Liebe Freundinnen und Freunde,
wer in Stuttgart angesichts allgegenwärtiger Stadtzerstörung und eines rapiden Wandels zur Investorenstadt das Thema Urbanität aufruft, segelt hart im Wind. So auch die Stuttgarter Zeitung, mit ihrer groß angelegten Fachkonferenz am 24. Und 25. Juni in der Alten Reithalle zum „Thema Stadt der Zukunft – Zukunft der Stadt“. Zum freundlichen Preis von 1.541 € für die Teilnahme (Ermäßigungen für bestimmte Zielgruppen) wird einiges geboten. Nobles Ambiente und erste Adressen bei Referenten und Fachleuten aus aller Welt – dabei keineswegs nur Lobbyisten und Profiteure, wie die Sponsoren Siemens und EnBW und die Städtische Wirtschaftsförderung vermuten lassen, sondern durchaus auch kritische Geister, wie Armin Petras, Intendant, Regisseur und Autor des Staatsschauspiels Stuttgart, Cord Soehlke, Baubürgermeister in Tübingen oder Martin Delius, Pirat und Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Flughafenprojekt BER des Berliner Abgeordnetenhauses. Interessant auch die Teilnahme von Klaus Grewe, immer noch in der Großprojekte-Kommission des Bundesverkehrsministeriums, aber zurückgetreten aus dem Expertenbeirat der DB zu S21.
Auch den Kongress in Stuttgart aufzuziehen, ist mehr als plausibel, lassen sich doch hier am Beispiel von S21 wie in einem Brennglas die verheerenden Folgen sinnloser Großprojekten und einer desorientierten Stadtpolitik besichtigen. Das sieht auch Herr Dorfs so: Der Veranstaltungsort Stuttgart sei „kein Zufall“, schreibt Chefredakteur und S21-Fan Dorfs (StZ S21.6.2014), weil hier die großen „Herausforderungen – Verkehr, Energiewende, Großprojekte – gemeistert werden müssen“.
Gemeistert werden müssen? Diese sybillinische Wendung beschreibt das Problem der Chefetagen der Stuttgarter Zeitung, überhaupt der Machteliten, die uns Stuttgart 21 eingebrockt haben, bei denen Dorfs & Co ganz vorn mitgelaufen sind. Sie sehen in welche Verstrickungen Großprojekte à la BER und S21 führen, welche Reputationsschäden sie für Politiker, beteiligte Branchen und Städte haben (Slogan auf der abrissbedrohten Neckar-Eisenbahnbrücke „Hässlich Willkommen in Stuttgart 21“), und wie viele von ihnen schon aus der Zentrifuge geflogen sind. Sie haben also ein Problem und standen vor der Frage: wie das alles sinnvoll beraten ohne – auch noch in Stuttgart – in eine Diskussion zu geraten, an deren Ende nur eins stehen kann: Voraussetzung einer Stadt der Zukunft ist der Ausstieg aus Stuttgart 21. Eine sinnvolle Thematisierung von „Zukunft der Stadt“ unter Meidung des Themas S21 ist absurd.
Aber genau das versucht die Stuttgarter Zeitung. Diese Quadratur des Kreises hat man sich in der Chef- und Wirtschaftredaktion (die S21-kompetenten Lokalredakteure kommen im Programm erst gar nicht vor) so vorgestellt: Das Wort selbst und damit das Thema Stuttgart 21 kommen im gesamten Programm nicht mit einer Silbe vor. Und die Bürgerbewegung gegen Europas größtes Großprojekt und ihre ExpertInnen, ohne die die Absurditäten von S21 nie ans Tageslicht gekommen wären, weil die Leitmedien ihre Rolle ja lange im Kampagnenjournalismus für das Projekt gesehen haben, werden mit allen Tricks vor der Tür gehalten.
Wie macht man das? Man bereitet eine Konferenz quasi im Geheimen vor, lancierte die website nur gezielt (hier für alle: http://www.die-stadt-der-zukunft.de/) und kann so auch unter der Decke halten, dass die Konferenz am Dienstag um 17h sogar einen Ausflug ins Freie (Europaviertel) wagt. Auch in der Beilage zur Konferenz in der Samstagsaugabe http://Stzlinx.de/zukunftderstadt finden sich zwar lesenswerte Beiträge von und über TeilnehmerInnen, aber kein Link zur Konferenz selbst. Prohibitive Teilnahmegebühren (s.o.) und die lächerliche Vergabe von 20 Freitickets (für die man sich unter genauen Angaben zur Person und entsendenden Institution bewerben konnte -immerhin scheint Peter Dübbers dabei zu sein), sollen garantieren, dass die Bürgerbewegung und das Thema S21 im wörtlichen Sinne außen vor bleiben.
Zu welchen Verrenkungen das führt, zeigt der Beitrag von Barbara Thurner-Fromm, die von dem Umbau des Lyoner Bahnhofs „zu einer offenen, transparenten Verkehrsdrehscheibe .. für mehr als 100 schnelle TGVs und 1200 Regionalzüge für bis 220 000 Reisende pro Tag“ schwärmt, und kein Wort dazu verliert, dass hier am Ort der Konferenz, in dem vergleichbar großen und relevanten Stuttgart gerade das genaue Gegenteil betrieben, nämlich ein gut funktionierender, ausbaufähigen Metropolenbahnhof zu einem unterirdischer Provinzbahnhof mit einem Bruchteil dieser Kapazität zurückgebaut werden soll.
Diese Konferenz ist entgegen ihrem glamorösen und auf weltoffen getrimmten Auftritt verstockt und unehrlich. Ärgerlich, dass für dieses bürgerfeindliche Versteckspiel auch noch massenhaft Gelder eben dieser BürgerInnen aufgeboten werden. Setzt nur die Hälfte der Teilnehmer die Teilnahmegebühr betrieblich von der Steuer ab, kostet das den Fiskus je nach Steuersatz zwischen 100 000 und 300 000€. Interessant zu wissen wäre auch, ob das Amt für Wirtschaftsförderung (offiziell „Partner“) oder „Stuttgart Marketing“, die ja kürzlich die S21 Baustellen zum Touristenmagnet machen wollten, finanziell beteiligt sind.
Die Architektenkammer Baden-Württemberg hat übrigens den Kongress als Weiterbildungsveranstaltung mit sieben Unterrichtsstunden in der Fachrichtung Architektur und Stadtplanung anerkannt.
Korruption auf offener Bühne
Ein dickes Kuvert in einer Tiefgarage für seinen Verrat am Gemeinwohl hat Roland Pofalla sicher nicht zugesteckt bekommen, nachdem er die drei Staatssekretäre im Aufsichtsrat der Bahn im Auftrag Merkels auf den Weiterbau eines längst des als unwirtschaftlich erkannten S21-Projekts getrimmt hat – aber einen hochdotierten Vertrag, erst beim, dann im DB-Vorstand hat er bekommen. Nach einer „Anstandsfrist“, die die Sache nicht anständig macht, melden die Beteiligten nun Verzug – und die kritische Öffentlichkeit meldet Protest an: https://www.lobbycontrol.de/2014/06/wechsel-zur-bahn-pofalla-muss-bundestagsmandat-niederlegen/
Wenn „kritisch begleiten“ noch einen Sinn hat, müssen sich jetzt die Grünen voll einsteigen beim Untersuchungsausschuss zu S21.
Bürgerbegehren
Um, das Ziel vor Augen, nochmal richtig Schwung in den Endspurt zu bringen, soll u.a. eine SammlerInnen-Börse eingerichtet werden. Ganz unbürokratisch. Wer bereit ist, sich an Sammelaktionen zu beteiligen, kann seine Mailadresse hinterlassen bei w.kuebart@web.de. Wer eine Sammelaktion bzw. einen Stand angemeldet hat und MitmacherInnen sucht, kann durch Anfrage über diese Adresse Unterstützung bekommen. Wird auch auf der Modemo nochmal beworben.
4 Jahre Mahnfache – das verdiente Fest!
…am Donnerstag 17. Juli, 17.07 Uhr bis 21.00 Uhr, Berger Festzelt.
Mahnwache – im wahrsten Sinne des Wortes standhaft! Siehe Einladung 4 Jahre Mahnwache
& Gruß von Werner