Liebe FreundInnen,

ginge es mit rechten Dingen zu, wäre der Stuttgart-21-Spuk längst vorbei. Mit „rechten Dingen“ sind Maßstäbe wie Rechtmäßigkeit, Richtigkeit, Vernunft gemeint. Einer dieser Maßstäbe, die längst, aber besser jetzt als nie, zu einer Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses führen muss, ist der Brandschutz.

Nicht jede/r wird so tief in die oft komplexen technischen Zusammenhänge des Projekts eintauchen können, wie dies Hans Heydemann von den Ingenieuren22 und Christoph Engelhardt von wikireal das in dem Gutachten getan haben, das am Montag, den 29. Oktober, morgens in einer Pressekonferenz und abends in einer Veranstaltung im Großen Saal des Rathauses vorgestellt wird.

Diese Komplexität ist eine prima Entschuldigung der politisch Verantwortlichen, mit den Schultern zu zucken und auf die Erklärungen der Experten de DB zu verweisen, denn auf irgendwas müsse man sich ja verlassen können. Die Komplexität ist aber auch für viele Journalist*innen ein Grund, dem Thema auszuweichen. Zu leicht könnte man sich die Finger verbrennen, wenn man sich nicht genau auskennt, weil die Zeit zu recherchieren fehlt.

Andererseits gibt es aber ganz einfache Zusammenhänge, die zu verstehen man nicht Ingenieur*in sein muss. Etwa, dass ein Bahnhof mit 8 Gleisen eine geringere Kapazität haben muss als einer mit 16 Gleisen, selbst wenn Ersterer ein Durchgangsbahnhof ist. Oder damit zusammenhängend: dass bei 60 km Tunnel und zwei Tiefbahnhöfen und den beengenden Bedingungen durch Nachbargebäude, S- und U-Bahnen einfach der Platz fehlt für die Bekämpfung eines Zugbrandes und für die Flucht tausender Menschen in wenigen Minuten.

Wem hier die Phantasie fehlt, möge sich vorstellen, was die Folgen gewesen wären, wenn der ICE 511 mit 510 Menschen an Bord am 12. Oktober bei Dierdorf/Montabaur nur wenige Momente später in einem Tunnel zum Stehen gekommen wäre und nicht kurz davor auf freier und für die Rettungskräfte gut zugänglicher Fläche.

Das was vernunftbegabte und gutwillige Menschen also schon immer wissen konnten, haben die Autoren des Gutachtens auf 170 Seiten detailliert belegt und begründet. Teil des Gutachtens ist das Statement von Johannes Frank, Brandoberamtsrat a. D. und Brandschutzsachverständiger, zur Notwendigkeit einer Werkfeuerwehr bei Stuttgart 21 und die Einschätzung eines erfahrenen Lokführers und Feuerwehrmanns zur Ursache des ICE-Brands und seine Schlussfolgerungen für Stuttgart 21.

Zentrale Aussagen des bereits im Frühjahr vom Aktionsbündnis in Auftrag gegebenen Gutachtens sind:

  • Schon im normalen Betrieb ist der Tiefbahnhof zu eng.
  • Die Fluchttreppen sind zu steil und haben eine zu geringe Stufenbreite.

  • Die Rauchabdrängung in der Tiefbahnhofhalle durch Zuluftanlagen funktioniert nicht.

  • Es sind deutlich mehr Menschen zu evakuieren als im Brandschutzkonzept unterstellt.

  • Auf über der Hälfte der Strecken stark verengten Sonderquerschnitt der Tunnel.

  • Unzureichender Abstand der Rettungsstollen.

  • Stuttgart 21 hat im internationalen Vergleich von Tunneln den mit Abstand niedrigsten Sicherheitsstandard gemessen an den Schlüsselparametern Rettungswegbreite, Querschlagabstand, Tunnelquerschnitt, Personenzahl in den Zügen und Gefälle (das die Rauchausbreitung begünstigt).

    Dies wird besonders eindrücklich in dieser Grafik deutlich:

  • An mehreren Stellen werden offenkundig die bestehenden Richtlinien nicht eingehalten.

Die DB hat zwar ein Brandschutzkonzept. Dies soll aber erst mit der Endabnahme bei Fertigstellung von S21 letztlich genehmigt werden. Damit wird in Stuttgart der gleiche Fehler begangen wie beim BER, bei dem auch drauf los gebaut wurde ohne tragfähige Antworten beim Brandschutz zu haben. Folge: jahrelange Verzögerungen, Umplanungen, Umbauerei und Kostensteigerungen.

Darauf würde es auch bei Stuttgart 21 hinauslaufen. Wenn es Ende 2025, dem optimistisch gerechneten Fertigstellungstermin, keinen genehmigungsfähigen Brandschutz gibt, werden Milliarde Mehrkosten anfallen und eine Fertigstellung würde eher in den 30er Jahren zu erwarten sein. Man kann natürlich zur Freude der Baubranche weiterlaufen auf dem Holzweg. Besser wäre, wenn das EBA seinen Planfeststellungsbeschluss zurücknähme, was immer möglich ist, wenn die Genehmigung durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde. Und dass das der Fall war, belegt das Gutachten.

Damit es keine lapidaren Antworten wie die des Staatssekretärs Ernak Ferlemann an Sabine Leidig, MdB LINKE (Anlage), und kein Gähnen und Absentieren der Gemeinderäte beim Thema Brandschutz mehr gibt, und keine/r später behaupten kann, nichts gewusst zu haben, will das Aktionsbündnis möglichst vielen Verantwortlichen das Gutachten per Einschreiben mit Rückschein zustellen.

Großflughafen Istanbul wird eröffnet

Größenwahn ist überall

Am 29. Oktober wird der neue Flughafen Istanbul eröffnet. Ein Prestige-Projekt des Größenwahns, der sinnlosen Umweltzerstörung, für den 2 Millionen Bäume gefällt wurden. Ein Klimakiller ersten Ranges, der irgendwann der Millionenmetropole Istanbul die Luft zum Atmen rauben wird. Genau sechs Flughäfen wird der neue Flughafen anfliegen erstmals, das Eröffnungsdatum wurde mit aller Gewalt gegen die Bauarbeiter von der AKP-Regierung durchgesetzt.

Bei den miserablen Arbeitsbedingungen wurden tausende Arbeiter verletzt, hunderte starben auf der Baustelle. Als die Arbeiter Mitte September in Streik traten, kam es zu Massenverhaftungen. Immer noch sitzen hunderte Arbeiter*innen und Gewerkkschafter*innen im Gefängnis. Ihnen drohen hohe Haftstrafen.

Wir unterstützen die Forderungen der Arbeiter und ihrer Gewerkschaften, nach sofortiger Entlassungen der Inhaftierten und nach menschenwürdigen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten.

Radentscheid für fahrradfreundliches Stuttgart

Auf der Zielgeraden

Das Bürgerbegehren Radentscheid setzt zum Endspurt an. Ca. 3.000 Unterschriften werden noch benötigt, um einen guten Puffer zu haben. 19.000 sind es schon. Deswegen die Bitte, alle die Unterschriftenlisten, die noch daheim auf dem Schreibtisch o.a. liegen bis zum Mittwoch 07.11. an der Mahnwache oder einer der anderen 87 Sammelstellen abgeben.

Sammelstellen hier: http://radentscheid-stuttgart.de/sammelstellen

Auch wenn die Forderung nach einem Ausstieg aus Stuttgart 21, als fahrradfeindlichsten Vorhaben für diese Stadt fehlt, danke allen Mitmacher*innen und auf zum Finale für eine fahrradfreundliches Stuttgart!

Viele Grüße von Werner!