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UMSTIEG21: Einladung an Plagiatoren und Umsetzer

Liebe, über die märchenhaften geschönten Trugbilder zu S21 aufgeklärte Freunde unseres vergewaltigten Kopfbahnhofs!
Vor fast 10 Jahren hatte sich als Initiative des Aktionsbündnisses eine kleine Arbeitsgruppe zusammenge-funden, die sich zum Ziel gesetzt hatte, den vielen, auch heute noch berechtigten Kritikpunkten am Projekt Stuttgart 21 ein alternatives Konzept mit konkreten Visionen zur Seite zu stellen, wie die Zukunft des Bahnknotens in und um Stuttgart aussehen könnte, wenn S21 voraussichtlich scheitert. Damals waren noch Peter Dübbers mit dabei, der Enkel des Architekten Paul Bonatz, und Klaus Gebhard, einer der Gründer der Parkschützer.

Unsere erste Idee, dem alternativen Konzept selbstbewusst die vielleicht zu offiziös und anspruchsvoll klingende Überschrift „PlanB“ zu verpassen, hatten wir bei der Veröffentlichung 2016 verworfen und durch den bescheideneren Titel UMSTIEG21 ersetzt, mit dem wir auch eine Aufforderung zu einem Kurs-wechsel verdeutlichen wollten, den wir angesichts der offensichtlichen Sackgasse für S21 vor uns sahen.

Wie sich seither erwiesen hat, ist unser Umstiegskonzept eine der Argumentations-Säulen und eine der Kraftquellen, auf denen unser Widerstand fußt. Unser Umstiegs-Logo über dieser Bühne ergänzt seither das traditionelle gelbe Schild mit dem rot durchgestrichenen Stuttgart-21-Schriftzug.

Wir haben unser Konzept zweimal überarbeitet, 2018 als ein „Update“ und danach 2021 mit seiner immer noch aktuellen Fassung angepasst an die jeweilige Entwicklung von Zerstörung und dem Bauzustand – von Baufortschritt wollen, ja können wir hier nicht sprechen…

Blieb das mediale Echo auf das Umstiegskonzept bedauerlicherweise bescheiden, so blieb ein positives Echo von Seiten der Projektpartner ganz aus – UMSTIEG21 wurde einfach ignoriert, fast bis heute, denn in den letzten Wochen haben sich an drei Stellen erste scheinbare Erfolge unserer Ideen und Forderungen abgezeichnet:

Beispiel 1: Die von Klaus Gebhard schon in der ersten Umstieg-Fassung von 2016 ausgearbeitete und vorgeschlagene Verlängerung der S-Bahn-Trasse auf den Fildern zwischen dem Flughafen bis hinunter ins Neckartal bis Wendlingen haben sich die von einem Ringschluss profitierenden Fildergemeinden inzwischen zu eigen gemacht und verfolgen sie mit Nachdruck.
Die Vorteile liegen ja auch auf der Hand: Die Filder wären per S-Bahn endlich auch direkt ins Neckartal angeschlossen, und von Ulm oder von Tübingen kommend, wären die Filder, der Flughafen und die Messe auf kurzem Weg mit der S-Bahn erreichbar, denn der weite Umweg über den Stuttgarter Hauptbahnhof wäre nicht mehr nötig.
Den Urheber dieser Idee, Klaus Gebhard, zu nennen oder ihm dafür zu danken, unterblieb… Wir könnten darüber sauer, zum mindesten enttäuscht sein.

Beispiel 2: Wie die Stuttgarter Zeitung am letzten Mittwoch berichtete, plant die Deutsche Bahn neuer-dings, entlang der Panoramabahnstrecke im Zuge der Gäubahn die Schwellen auszutauschen. Bekannt-lich hatte sie bislang vor, diese Strecke nach Eröffnung des Tiefbahnhofs stillzulegen. Mittlerweile habe aber, wie Christian Milankovic in der Stuttgarter Zeitung berichtete, ein Umdenken eingesetzt. Die Trasse, die sich entlang des Kesselrandes durch den Stuttgarter Norden und Westen schlängelt, bleibe zwischen dem Nordbahnhof und Vaihingen erhalten – immerhin, können wir sagen, denn das sah auch unser Kon-zept UMSTIEG21 vor, allerdings auf die gesamte Länge, bis zum Kopfbahnhof!
Ist damit ein weiterer Dominostein zugunsten einer Erhaltung des Kopfbahnhofs gefallen?

Beispiel 3: Auf der Homepage des Aktionsbündnisses (Kopfbahnhof-21.de) findet sich Werner Sauer-borns aktueller, mal wieder brillanter Rundbrief vom 11. Oktober, in dem er von einem weiteren Thema berichtet, das wir im Umstiegskonzept vorgestellt hatten: davon, dass es einen Bedarf für eine von öffent-licher Hand oder von einer Non-profit-Gesellschaft getragene unterirdische Citylogistik gibt, die sich nach einer Beendigung von S21 als Beitrag zur Verkehrswende in der vom Autoverkehr überlasteten Innenstadt in den frei werdenden Tunnelröhren der Bahn problemlos einbauen ließe.
Der konkrete Bezugspunkt war eine von der Stadt beim Karlsruher Institut für Technologie, KIT, bei der FC-Gruppe Karlsruhe und bei der Stuttgarter Hochschule für Technik in Auftrag gegebene Machbarkeits-studie für eine unterirdische Citylogistik. Die Gutachter, darunter Prof. Dehdari, hatten am letzten Freitag eine Kurzfassung dieser Studie vor Gemeinderäten vorgetragen und in ihren Schlussfolgerungen nicht nur hohe und auf lange Zeit unwirtschaftliche Kosten und kaum Einsparungsmöglichkeiten an Kohlen-dioxidgas gesehen. Damit war das Konzept für die Vertreter der Gemeinderatsfraktionen in seltener Ein-helligkeit rasch vom Tisch.
Ebenso rasch wird eine unterirdisches Citylogisik aber als ein lohnendes und ökologisches Konzept für Stuttgart wieder auf den Tisch kommen, wenn es um die Frage einer Nachfolgenutzung für frei werdende S21-Tunnels gehen wird.

Zugegeben, meine Verknüpfung der vorläufig gescheiterten Machbarkeitsstudie der Gutachter mit unserem Umnutzungsvorschlag für S21-Tunnel hat mit der jeweiligen Perspektive zu tun: Es besteht ein Bedarf an einem den Güterverkehr auf den Straßen verringernden, automatisierten, smarten unterirdischen Transport-Konzept. Im Fall des Scheiterns von S21 bietet sich hier in Stuttgart und Dank der Fehlinvestition für S21 geradezu die Chance zur sinnvollen weiteren Verwendung seiner nicht lange nutzlosen Bauteile!

Welches Fazit könnten wir aus diesen drei Beispielen ziehen?
Sollen wir eifersüchtig und genervt auf die Übernahme unserer Umstiegs-Ideen reagieren? Oder sollten wir uns auch dann darüber freuen, wenn einzelne unsere Ideen aufgegriffen und hoffentlich bald umgesetzt werden? Ich finde, wir können uns gelassen zurücklehnen und uns über plagiierende Übernahmen unserer Ideen freuen, erst recht, wenn noch weitere der Umstiegs-Module umgesetzt werden.

So unrealistisch ist das nicht, denn der Bahn und ihren Projektpartnern bläst ein zunehmender Gegenwind ins Gesicht, das enthüllt der neueste SPIEGEL. Weitere hunderte Millionen Euro Mehrkosten sind die aktuellsten Warnzeichen für S21 und ein Beleg dafür, dass dieses Großprojekt in der Sackgasse angekom-men ist. Als Nächstes – darauf können wir wetten – können wir bald das Eingeständnis erwarten, dass sich die zuletzt auf 2025 gekündigte Fertigstellung des Tiefbahnhofs um weitere Jahre verzögern wird.

Anstelle des von uns im Umstiegskonzept empfohlenen Endes mit Schrecken für S21 wird es nun zu ei-nem weit schmerzhafteren Schrecken ohne Ende kommen, mit der tragischen Folge, dass der noch gut funktionierende Stuttgarter Hauptbahnhof wegen oder durch S21 vom Fernverkehr abgehängt werden wird. Dazu passt der Seufzer in Friedrich Schillers Schauspiel „Wallensteins Tod“: „Das eben ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend immer Böses muss gebären“…

Stehen wir also weiter uneigennützig im Dienst der besseren Sache und weiter beharrlich auf dem Weg zum:
OBEN BLEIBEN!