Dr. Eisenhart v. Loeper
Rechtsanwalt
Hinter Oberkirch 10
72202 Nagold
Tel. 07452-4995
e.vonloeper@t-online.de
Staatsanwaltschaft Berlin
29.06.2015
10548 Berlin loe – 27/15 –
Strafanzeige
In Sachen
1. Dr. Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher im Aktionsbündnis K 21, Hinter Oberkirch 10, 72202 Nagold
2. Dieter Reicherter, Vorsitzender Richter am Landgericht Stuttgart a.D., Ochsenhaustr. 25, 71566 Althütte
3. Peter Conradi, 1972 bis 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages, Gänsheidestraße 69, 70184 Stuttgart
4. Arne Maier, Rechtsanwalt, Am Kronenhof 2, 73728 Esslingen
5. Dr. Werner Sauerborn, Hauptmannsreute 144, 70178 Stuttgart
Anzeigeerstatter –
gegen
1. Dr. Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin
2. Dr. Volker Kefer, Vorstand Infrastruktur der Deutschen Bahn AG, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin
3. Prof. Dr. Dr. Utz-Hellmuth Felcht, Vorsitzender des Aufsichtsrats der DB AG, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin
4. Michael Odenwald, Staatssekretär, Im Hagen 40, 14532 Kleinmachnow
5. Dr. Bernhard Heitzer, Staatssekretär, Am Hardtbach 19, 53347 Alfter
6. Patrick Döring, Walter-Gieseking-Straße 22, 30159 Hannover
7. Dr. Philipp Rösler, Bundeswirtschaftsminister a.D., c/0 World Economic Forum Switzerland 91-93 route de la Capite, CH-1223 Cologny/Geneva Switzerland
8. Ronald Pofalla, Kanzleramtsminister a.D., zu laden über Deutsche Bahn AG, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin
Beschuldigte –
wegen des Tatvorwurfs der Untreue gemäß § 266 StGB.
Den Beschuldigten wird vorgeworfen, dass sie
gemeinschaftlich gesetzwidrig darauf einwirkten, dass der Beschluss des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG vom 5. März 2013 über den Weiterbau des Bahnprojekts „Stuttgart 21“ zustande kam, indem sie ihre Pflicht zur Betreuung fremder Vermögensinteressen der Deutschen Bahn AG verletzten und ihr Vermögensnachteile zufügten, weil sie trotz des Eingeständnisses der Unwirtschaftlichkeit des Projekts und trotz der Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit eines Ausstiegs aus Stuttgart 21 die Wahrung des Unternehmenswohls der DB AG hinter partei- und machtpolitische Interessen der damaligen Bundesregierung zurückstell-ten, wodurch sie die DB AG nachhaltig schädigten.
Ein Vergehen der Untreue nach § 266 StGB, bei den Beschuldigten Ziffer 7 und 8 eine Anstiftung hierzu (§ 26 StGB).
Begründung:
I. Vorbemerkung Tatort „ Stuttgart 21“ und der gesellschaftspolitische Hintergrund der juristischen Auseinandersetzung hierzu
Der am 21. Juni 2015 in der ARD ausgestrahlte Tatort-Krimi „Der Inder“ stieß, obwohl nur eine an Stuttgart 21 anknüpfende Fiktion, vor Ort und bundesweit auf ein sehr großes Medien- und Zuschauerinteresse. Auch wenn es bei Stuttgart 21 nicht um Mord und Totschlag geht, so verbindet sich mit diesem Projekt doch die Vorstellung von Lug und Trug, zumindest der allgemeine Eindruck, dass es „nicht mit rechten Dingen“ zugegangen sein kann, wenn ein solches Projekt von allen Einwänden unbeeindruckt seinen Lauf nehmen zu können scheint.
Noch in einer weiteren Hinsicht findet die juristische Auseinandersetzung um Stuttgart 21 vor dem Hintergrund einer engagierten öffentlichen Debatte statt, nämlich über die Frage, warum Großprojekte fast regelmäßig den vorgegebenen Kostenrahmen sprengen. Je mehr Einblick in die Entscheidungs-abläufe bei Stuttgart 21 möglich wird, desto klarer werden die neuralgischen Punkte erkennbar, die ursächlich sind für die beklagten und kritisierten Fehlentwicklungen.
Die rechtsstaatliche Demokratie mit ihren Prinzipien der Gewaltenteilung, der Gleichheit vor dem Gesetz und der Unabhängigkeit der Justiz muss sich gerade hier beweisen, wo es um zugespitzte Konflikte von großer Symbolkraft geht. Wo Projektbetreiber die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats untergraben, indem sie auf sehr angreifbarer Basis seit Februar 2010 vollendete Tatsachen schaffen, obwohl zentrale Fragen der Genehmigungsfähigkeit von Teil-Abschnitten, der Verfassungswidrigkeit der Mischfinanzierung, der Verkleinerung des nur acht-gleisigen Tiefbahnhofs, seiner gefährlich sechsfach überhöhten Gleisneigung, heikle geologische Fragen des Untergrunds u.a. nicht gelöst bzw. nicht entschieden sind.
Genauso wie Bundesverkehrsminister Dobrindt seine europarechtlich problematische Pkw-Maut infolge des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof jetzt nicht mehr umsetzen darf, müsste der Bund den gleichen Maßstab als Eigner der Deutschen Bahn gegen sich gelten lassen und die Bauarbeiten für S 21 bis zur Klärung ungelöster zentraler Fragen aussetzen.
Genau dies hätte geschehen können, als der Bahnvorstand am 12.12.2012 vor seinem Aufsichtsrat und der Öffentlichkeit die Kostensteigerung des Projekts von der vereinbarten Obergrenze von 4,5 auf bis zu 6,8 Milliarden € eingestehen musste. Doch der Aufsichtsrat ließ am 5. März 2013 nach starkem politischen Druck dennoch den Weiterbau von Stuttgart 21 zu, so dass dagegen Strafanzeige erstattet wurde. Sie fand bisher vor der Strafjustiz kein Gehör.
Die jetzt erhobene neue Strafanzeige sucht eine „zweite rechtsstaatliche Chance“, baut also erneut auf die Unabhängigkeit der Justiz, macht aber auch unübersehbar deutlich: Zum Einen hatte der Generalstaatsanwalt Berlin die Ermittlungen nur noch infolge fehlenden Nachweises vorsätzlicher Untreue der Beschuldigten abgelehnt. Zum Anderen liegen jetzt neu weitgehend ungeschwärzte Vermerke und Eingeständnisse des Bundeskanzleramts vor, die zusammen mit weiteren Unterlagen den Tatverdacht vorsätzlichen Handelns der Beschuldigten belegen und damit die staatsanwaltliche Aufklärung der Vorwürfe unaufschiebbar machen.
II. Zur früheren Strafanzeige
Die Staatsanwaltschaft Berlin war bereits durch die diesseitige Strafanzeige vom 25. März 2013 – auch – damit befasst, dass die Beschuldigten durch den vom Bahnvorstand eingeleiteten Beschluss des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG vom 5. März 2013 auf den Weiterbau des Bahnprojekts Stuttgart 21 eingewirkt und dadurch ein Vergehen der Untreue begangen hätten.
Beweis: Vorlage einer Kopie der Strafanzeige, Anlage 1
Mit der Entscheidung vom 3.Mai 2013 – 242 Js 777/13 – hat die Staatsanwalt-schaft die Aufnahme von Ermittlungen abgelehnt, weil – nach dem damaligen Sachstand – keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung vorliegen würden. Sie hat (S. 6 ) sich insbesondere darauf berufen, es lasse sich nicht hinreichend sicher prognostizieren, dass der Weiterbau von Stuttgart 21 einen konkreten Vermögensschaden zur Folge haben werde, zumal das Handeln des Vorstands durch eingeholte Gutachten gestützt sei.
Mit der diesseitigen Beschwerde vom 3. Juni 2013 wurde u.a. betont, dass die Staatsanwaltschaft einen Ergänzungsschriftsatz vom 2.Mai 2013 mit weiter vorgelegten Beweismitteln gar nicht mehr hatte auswerten können. Unstreitig ist hiernach inzwischen die Kenntnis von Vorstand und damaligen Aufsichts-räten, dass die vom damaligen Projektleiter Hany Azer mit 4,979 € ermittelten Projektkosten ohne vertiefte Planung und mit bloßen Vergabeanalysen um 891 Mio. € herunter gerechnet wurden, um den Weiterbau von S 21 nicht zu gefährden.
Zwar führte die Beschwerde nicht zum Einlenken der Generalstaatsanwalt-schaft in deren Bescheid vom 31.10.2013, 121 Zs 740/13. Bedeutsam ist aber, dass die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Beschuldigten offen gelassen wird und als entscheidendes Kriterium für einen fehlenden Anfangs-verdacht der Untreue nur noch fehlende tatsächliche Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln genannt werden.
Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hat es am 11.12.2014 abgelehnt (III CS -3133/E/1261/2013), einer weiteren Beschwerde stattzugeben und Maßnahmen der Dienstaufsicht zu ergreifen. Sie hat sich darauf berufen, die Berliner Strafverfolgungsbehörden hätten ihren Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum nicht unvertretbar überschritten.
III. Neue Anhaltspunkte für strafbare Untreue
Der Anzeigeerstatter Ziffer 1 hat am 22.August 2014 auf seinen im Juli 2014 gestellten Antrag hin die Freigabe von fünf internen Vermerken des Bundes-kanzleramts an deren damaligen Chef Ronald Pofalla und an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel aus der Zeit von Dezember 2012 bis Ende Februar 2013 erwirken können. Davon waren allerdings wesentliche Inhalte geschwärzt.
Die amtlichen Vermerke geben Aufschluss über
(1) eine Gesprächsnotiz vom 4.12.2012 an den damaligen Chef des Bundeskanzleramts Ronald Pofalla für Gespräche mit den Beschuldigten Ziffer 1 und 2, den Bahnvorständen Dr. Grube und Dr. Kefer,
(2) einen Vermerk vom 9.01.2013 an Herrn Pofalla für ein Gespräch mit Staatssekretär Odenwald aus dem Bundesverkehrsministerium,
(3) einen Vermerk an die Bundeskanzlerin für ein Gespräch mit dem damaligen Bundesratspräsidenten Kretschmann am 1.02.2013,
(4) einen Bericht „Sachstand und aktuelle Entwicklung beim Projekt Stuttgart 21“ vom 5.02.2013 an die Bundeskanzlerin und
(5) einen abschließenden Sachstandsbericht zu Stuttgart 21 an die Bundeskanzlerin vom 22.02.2013.
Beweis: Vorlage der Gesprächsvermerke des Bundeskanzleramts als Anlage 2
Der Anzeigeerstatter Ziffer 1 hat gegen die Freigabe mit Teilschwärzungen der Gesprächsvermerke Widerspruch und gegen den Widerspruchsbescheid am 2.01.2015 Klage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben, die mit Schriftsatz vom 25.02.2015 umfangreich weiter begründet wurde (VG Berlin, VG 2 K 3.15). Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundeskanzleramt, hat durch Anwaltskanzlei Redeker, Sellner, Dahs der diesseitigen Klage teilweise entsprochen. Es wurden mit der Klagerwiderung vom 2.06.2015 weitere Teile der Schwärzungen aufgehoben und die Vermerke in der jetzt präsentierten Form zur Verfügung gestellt. Mit der vorliegenden Strafanzeige werden diese Vermerke als Beweismittel vorgelegt und – soweit Veranlassung besteht – deutlich gemacht, welche Teile (B 2 bis B 6, durch eckige Klammern bezeichnet)
erst nachträglich offen gelegt wurden.
Für die Bewertung des Untreuevorwurfs sind folgende Fakten neu:
1. Die internen fünf Vermerke bestätigen, dass das Bundeskanzleramt in der heißen Phase der öffentlichen Auseinandersetzungen um das Bahnprojekt Stuttgart 21 zwischen Dezember 2012 und dem 5. März 2013 – bevor der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG dessen Weiterbau beschloss – , intensiv mit der Frage der Kostenexplosion des Projekts Stuttgart 21 um bis zu 2,3 Milliarden Euro jenseits des Kostendeckels von 4,5 Milliarden Euro und mit den Konsequenzen daraus befasst war. Diese Tatsache wie mehr noch deren Gründe eignen sich als wesentliche Indizien für den strafrechtlichen Tatvorwurf, dass die Beschuldigten aufgrund eines enormen politischen Drucks veranlasst wurden, auf das Zustandekommen des Beschlusses des Aufsichtsrats der DB AG verbotswidrig zum Nachteil der DB AG einzuwirken, und sie dadurch diesem Unternehmen Nachteile zufügten.
2. Wörtlich heißt es in den Vermerken (wobei die im ersten Vermerk vom 4.12.2012 Absatz 4, genannten 1 Mrd.€ in den Vermerken vom 9.01.2013, dort Absatz 1 und vom 5.02.2013, S. 1 auf 1,1 Mrd. € Mehr-kosten erhöht sind):
„Nach einer mit externen Sachverständigen (Wirtschaftsprüfer) durch-geführten Projekt- und Kostenprüfung beziffert die Bahn die sich aus dem Projekt ergebenden Mehrkosten im schlechtesten Falle (bei Eintritt aller Risiken) auf 1,1 Mrd. €. Als Ursache werden von der DB AG falsche Annahmen bei bisherigen Planungen, notwendige Neuplanungen, Verzögerungen, Nachforderungen und Preissteigerungen angeführt…. „
Es heißt, der Bahnvorstand habe „dem Aufsichtsrat vorgeschlagen, den bisherigen Kostenrahmen für das Projekt von bisher 4,5 Mrd. € aus eigenen Mitteln auf 5,6 Mrd. € aufzustocken“. Weiter heißt es: „Eine Finanzierung soll über eine verringerte Schuldenreduzierung des Bahnkonzerns über 10 Jahre erfolgen“.
Darüber hinaus habe der Bahnvorstand den Aufsichtsrat über zusätzliche Risiken von 1,1 Mrd. € informiert, die er auf externe Ursachen zurück-führt (Vermerk vom 9.01.2013, S.1).
3. In den Vermerken (siehe jenen vom 1.02.2013, S. 1) wird betont, der „Aufsichtsrat habe der Erhöhung des Kostenrahmens noch nicht zugestimmt und er habe eine zusätzliche Überprüfung der Kalkulationen der DB durch externe Sachverständige angefordert. Außerdem soll die Wirtschaftlichkeit des Projekts vor dem Hintergrund der Kostensteige-rungen und Risiken erneut nachgewiesen werden“.
(Vermerk vom 1.02.2013, S. 1 unten).
4. Der Vermerk vom 9.01.2013 gilt für ein Gespräch des Kanzleramtschefs Pofalla mit Verkehrs-Staatssekretär Odenwald. Neuerdings kommt dort ungeschwärzt zum Vorschein, dass dieser, der Beschuldigte Ziffer 4, den zitierten Nachweis (vorstehend Ziffer 3) „konsequent verfolgen und eine Sicherung der Risiken aus externen Einflussfaktoren verlangen will. Er dürfte dabei auch eruieren wollen, ob bei Nichterfüllung dieser Bedingungen eine Infragestellung des Projekts durch die BReg/Bundesvertreter im AR akzeptabel ist.“ Dieser Satz signalisiert, dass Staatssekretär Odenwald zwar die Infragestellung von Stuttgart 21 und damit die Ausstiegsalternative als folgerichtig anstrebt, dass er sich aber – wenn auch ungern – einem Veto des Kanzleramts beugen würde.
5. Bekenntnisartig wird auf Seite 2 des Vermerks vom 1.02.2013 an die Bundeskanzlerin hervorgehoben:
a) „Der Bahnvorstand will an der Verwirklichung des Projekts festhalten und sieht dabei auch die politische Bedeutung der Verwirklichung eines großen Infrastrukturprojekts, zu dem BK´in sich explizit bekannt hat.“ (aaO S. 2 oberste Zeilen)
b) Eine erst mit Schriftsatz vom 2.06.2015 der Rechtsanwälte des BKA auf Seite 2 unten des Vermerks vom 1.02.2013 aufgehobene bisherige Schwärzung lautet , durch Fettdruck noch hervorgehoben :
„Ich halte das Stuttgart 21 nach wie vor für ein wichtiges Infrastrukturprojekt, an dem sich auch erweist, inwieweit in D weiterhin große Infrastrukturvorhaben umgesetzt werden können.“
Wird die Frage der Wirtschaftlichkeit des Projekts und des zu erstrebenden Unternehmenswohls dadurch sichtbar ausgeklammert, dann wird auf diesem Wege nach sachfremden Motiven entschieden.
c) Eine neuerdings (aaO) ungeschwärzte, gleichfalls fettgedruckt hervorgehobene Aussage (nach einer geschwärzten Aussage) lautet:
„Das eindeutige Votum der Volksabstimmung sollte von allen Beteiligten auch bei der Umsetzung des Projekts berücksichtigt werden.“
Dabei wird – dem politischen Bekenntnischarakter folgend – bewusst außer acht gelassen, dass die DB AG und die Projektbefürworter bei der landesweiten Volksabstimmung über ein Kündigungsgesetz zu S 21 versichert haben, dass der Kostendeckel des Finanzierungsvertrags vom 2.04.2009 in Höhe von maximal 4,526 Mrd. € inclusive 1,45 Mrd. € Risikopuffer nicht gesprengt werde. Ein Jahr später haben die Beschuldigten Ziffer 1 und 2 aber mit dem Eingeständnis („Offenbarungseid“) vom 12.12.2012 die Überschreitung der im Finanzierungsvertrag zu S 21 fest vereinbarten Kostengrenze von 4,526 Mrd. € um etwa 50 % (bis zu 2,3 Mrd. €) einräumen müssen. Damit war gerade die Legitimation der Volksabstimmung, auf die sich der Vermerk des Kanzleramts vom 1.02.2013 an die Bundeskanzlerin bezieht, entfallen (so auch Prof. Dr.iur Joachim Wieland, Verwaltungs-hochschule Speyer).
Aus der Tatsache, dass die Volksabstimmung ohnehin infolge Nicht-erreichens des Quorums das S 21-Kündigungsgesetz scheitern ließ, ist ohnehin nur zu schließen, dass die zuvor bestehende Rechtslage auch nach der Abstimmung fortbestanden hat, wie die Landesabstim-mungsleiterin Friedrich bescheinigt hat.
Beweis: Kopie des Berichts als Anlage 3
Dennoch auf die Ergebnisse einer mit unwahren Kostenangaben stark beeinflussten Volksabstimmung zu pochen und sie zugleich zum Handlungsmaßstab für den Weiterbau von S 21 zu erheben, steht im Widerspruch zum Aktien-recht, das den Vorstand und den Aufsichtsrat der AG ausschließlich auf das Unternehmenswohl verpflichtet (siehe unten IV Ziffer 4).
6. Der Gesprächsvermerk an die Bundeskanzlerin vom 5.02.2013 intensi-viert die geschilderte Situation. Zum neuesten Sachstand wird erwähnt (S. 2), der Aufsichtsrat „hat der Erhöhung des Kostenrahmens noch nicht zugestimmt“ und zur zusätzlichen Überprüfung der Kalkulationen der DB durch externe Sachverständige sei „ein Katalog mit 130 Fragen auch zu einem möglichen Projektabbruch, daraus resultierenden Folgen und Kosten sowie möglichen Projektalternativen entwickelt worden.“
Vor dem Hintergrund des geschilderten politischen Willens zur Fort-führung des Projekts – das als eigenwirtschaftliches Projekt der DB AG hervorgehoben wird (siehe Vermerk vom 4.12.2012, S. 1 und vom 1.02.2013, S. 2) – muss der umfassend erscheinende Fragenkatalog der Aufsichtsräte dem Bundeskanzleramt als ernst zu nehmende Gefahr des Projektabbruchs von S 21 erschienen sein.
Die anschließenden Hinweise verschärfen die Furcht vor dem Ausstiegsszenario noch: „Die Antworten der DB AG sind in zwei getrennten Workshops mit den Arbeitnehmervertretern im AR am 30.01. sowie mit den Vertretern der Anteilseigner (u. a. St Ressorts) am heutigen 5.02. erörtert worden. Außerdem soll die Wirtschaftlichkeit des Projekts vor dem Hintergrund der Kostensteigerungen und Risiken erneut nachgewiesen werden.“
7. Auf der nachfolgenden Seite 3 des Berichts an die Bundekanzlerin wird nun durch die am 2.06.2015 übermittelte Vorlage – zwar nicht vollständig, aber weitgehend – Einblick gegeben in bisher vorgenommene Schwärzungen. Es heißt nämlich im 2. Absatz (teilweise nur stichwortartig formuliert):
„Hintergrund für die aktuelle Berichterstattung, die Bundesvertreter im AR der DB AG sähen die Kostenentwicklung äußerst kritisch und drängten auf einen Ausstieg aus dem Projekt, ist eine umfassende Unterlage, die für St Odenwald zur Vorbereitung des Workshops und der nächsten Aufsichtsratssitzung im BMVBS erstellt worden ist. In dem Dossier werden offenbar die Antwortentwürfe der DB AG auf die Fragen des AR kritisch kommentiert, weitere Fragen zur Kostenentwicklung und Risiken sowie nach Projektabbruch und Alternativen formuliert.“ (Diesen Feststellungen von höchster Brisanz folgen erneute drei Zeilen Schwärzungen).
8. Die Bewertung der Vorgänge durch das Kanzleramt (S.3 f. des Vermerks vom 5.02.2013) wird neuerdings teilweise offen gelegt mit den Worten:
„Es ist nachvollziehbar, dass die Vertreter im AR der DB AG angesichts der immensen Kostensteigerungen den neuen Finanzierungsplan der DB AG für Stuttgart 21 einer genaueren Prüfung unterziehen wollen. Die St wollen offenbar nicht zuletzt vor dem Hintergrund beim BER eine möglichst belastbare Finanzierung gewährleisten und Risiken so weit wie möglich ausschließen.“ Dem wird aber entgegengehalten, der Bahnvorstand habe seine „Projekt-und Kostenanalyse sowohl in technischer als auch wirtschaftlicher Hinsicht von zwei Beratungsunter-nehmen prüfen lassen“. Damit waren das Gutachten von SZA (siehe dazu kritisch das Dossier unten Ziffer 9 d)) und das „Plausibilitätsgutachten“ von PwC (siehe unten Ziffer 10) gemeint, die indessen rechtlich nicht hinreichend qualifiziert waren.
Die Gesamtbewertung ist nicht nachlesbar, weil sie in den abschließen-den acht Zeilen geschwärzt ist. Gleiches gilt für den nachfolgenden Bericht vom 22.02.2013. Das anschließende Handeln des Kanzleramts und führender Regierungsvertreter lässt aber keinen Zweifel daran, dass man über den sich anbahnenden Ausstieg aus dem Projekt Stuttgart 21 alarmiert war und aus politischen Gründen, die bekenntnishaft in den vorgelegten Vermerken zitiert werden, mit aller Macht gegensteuerte.
9. Die Einschätzungen des Bundeskanzleramts stützen sich auf das zitierte Dossier sowie auf einen „Vermerk (Zwischenergebnis)“ des Gutachtens PwC im Auftrag des Aufsichtsrates der DB AG zu Stuttgart 21. Das Dossier des BMVBS wird als Beweismittel – Anlage 4 – vorgelegt und daraus u.a. Folgendes wiedergegeben:
a) Es wird darin betont (S. 2), die bisherigen Argumente der DB AG, Alternativen zur Fortführung von S 21 zu verwerfen, würden nicht greifen.
b) Das PwC-Gutachten gebe nur einen Zwischenstand wieder, z.B. fehle noch die Prüfung der Ausstiegskosten, auch werden etliche Unrichtig-keiten der Darstellung des Vorstands der DB AG gerügt (S.2).
c) Die Ausstiegskosten seien nicht belastbar dargelegt (S. 3). Außerdem wird (aaO) erklärt, vordringlich solle „deutlich gemacht werden, dass der AR nicht über eine weitere Finanzierung entscheiden kann, bevor die Projektpartner sich über die Finanzierungsmodalitäten und die anschließenden Baumaßnahmen geeinigt haben“.
Eine solche Einigung mit den Projektpartnern über die Finanzierung von S 21 hat es weder vor noch nach dem AR-Beschluss über den Weiterbau von S 21 gegeben.
d) Auf Seite 9 f. geht das Dossier des BMVBS kritisch auf ein weiteres Gutachten der DB AG ein mit den Worten:
„SZA geht ebenfalls nicht darauf ein, wie im Hinblick auf mögliche Regressforderungen mit dem Eingeständnis des Vorstands umzugehen ist, dass der Konzern für Mehrkosten in Höhe von 1.100 Mio. € verantwortlich sei. Es sollte geprüft werden, ob diese Verantwortung in konkreten Personen, insbesondere Vorständen, zu verorten ist. Gleiches gilt für die weiteren Mehrkosten von 1.200 Mio. €, die weitestgehend ähnliche Begründungen haben (Ausnahme: Schlichtung und Filderdialog), auch wenn Projektpartner und Behörden nach Einschätzung der DB AG noch zur Minimierung der Kosten beitragen können.“
10. Als neues weiteres Beweismittel wird das gesamte PwC-Gutachten „Vermerk (Zwischenergebnis)“ vom Januar 2013 – Anlage 5 – vorgelegt, das im Untertitel als „Plausibilitätsbegutachtung“ bezeichnet ist. Damit soll die Staatsanwaltschaft zur Kenntnis der Beweisquellen gelangen, die dem Bundeskanzleramt bei Abfassung der zwei Vermerke vom Februar 2013 und in dem Stadium vorlagen, als es Mitte Februar die Entscheidung traf, es müsse unbedingt zum Weiterbau des Bahnprojekts S 21 kommen. Hervorzuheben sind:
a) Weil nur die Plausibilität der von der DB AG vorgelegten Unterlagen geprüft wurde, deren Verifizierung ausdrücklich unterblieb, wurde ein höheres Risiko eingeräumt, „dass selbst wesentliche Fehler, rechtswidrige Handlungen oder andere Unregelmäßigkeiten nicht aufgedeckt werden“ (S. 10).
b) Unter Randnr. 154 werden die Projektkosten /GWU 2009 von 2009 mit 4.979,7 Mio. € aufgeschlüsselt, von denen die „Einspar-und Optimierungspotentiale“ von 891,7 Mio. € abgezogen wurden, um die Kostenhöhe unterhalb des vereinbarten Kostendeckels auf 4.087,8 Mio.€ zu reduzieren und eine bis Jahresende 2009 sonst zulässige Kündigung nach § 2 des Finanzierungsvertrags auszuschließen.
c) Randnummern 155 und 156 erläutern die zuvor genannten Kosten und erklären, dass die – den Kostenrahmen von 4,526 Mrd. € sprengende – Kostensumme von 4,979 Mrd. € schon in 12/2009 Beschlussgegenstand in den Gremien der DB AG gewesen sei.
11. Schließlich ist der Sachstand des Prozesses vor dem Verwaltungs-gericht Berlin über die Aufhebung der Teil-Schwärzungen der fünf Vermerke des Bundeskanzleramts für die vorliegende Strafanzeige bedeutsam:
a) In der ergänzenden Klagbegründung vom 25.02.2015 wird zunächst der bisherige Verfahrensverlauf dargestellt und sodann Seite 7 bis 12 der Sachverhalt um alle jene Erkenntnisse und Ereignisse vervollständigt und untermauert, die den enormen Druck politischer Entscheidungsträger betreffen, dass Stuttgart 21 trotz weggefallener Wirtschaftlichkeit in jedem Falle gebaut werden müsse, wie die hierzu vorliegenden Medienberichte bekräftigen. So wird z.B. auf Seite 10 der Bericht der Nachrichtenagentur Reuters vom 21.02.2013 genannt, wonach das Kanzleramt auf die Entscheidung für den Weiterbau von Stuttgart 21 „noch vor der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs“ gegenüber den Bundesvertretern im Aufsichtsrat eingewirkt habe. In die gleiche Richtung geht der zitierte Bericht des Magazins DIE ZEIT vom 28.02.2013 und die detailreiche Schilderung der „Wirtschaftswoche“ vom 18.03.2013, Seite 14, unter der Überschrift „Anruf beim Minister“, der beschreibt, wie Staatssekretär Bernhard Heitzer unmittelbar vor der Aufsichtsratssitzung von seinem Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler förmlich umgedreht wurde. Dies hat der damalige FDP-Generalsekretär Patrick Döring selbst im Zusammenspiel mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Felcht eingeleitet, indem er eigens hierfür mit seinem Minister telefonierte und den anderen Aufsichtsräten sodann die „frohe Botschaft“ über das erfolgreiche Einschreiten des Ministers gegenüber Staatssekretär Heitzer mit den Worten verkündete „Herr Rösler hat das geregelt“, der Staatssekretär werde nun doch für den Weiterbau des Projekts im Aufsichtsrat der Bahn abstimmen.
Beweis: Wirtschaftswoche vom 18.03.2013, Anlage 6
Klagbegründung an das VG Berlin vom 25.02.2015 als Anlage 7
b) Im diesseitigen Schriftsatz vom 25.02.2013 wurden abschließend auf Seite 19 bis 21 fünf Beweisanträge gestellt, auf die im einzelnen Bezug genommen wird. Dazu zählt auch Beweisantrag 3, der auf die Vernehmung der Bundeskanzlerin, des damaligen Bundesverkehrs-ministers Ramsauer, des Bundesfinanzministers, des damaligen Bundeswirtschaftsministers, des Unionsfraktionschefs und des damaligen Kanzleramtschefs Pofalla zielte
„zum Beweis der Tatsache, dass die damalige Regierungskoalition – wie in übereinstimmenden Agenturmeldungen, Zeitungsberichten und teilweise wörtlichen Zitaten … wiedergegeben – im Februar 2013 die politische Strategie vereinbart und demgemäß in öffentlichen Verlautbarungen und persönlichen Einflussnahmen alles daran gesetzt hat, eine Ausstiegsdebatte um Stuttgart 21 trotz der Kostensteigerung um bis zu 2,3 Milliarden Euro wegen der Bundestagswahl vom September 2013 unbedingt zu vermeiden und deshalb den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG und dort speziell die der Bundesregierung angehörenden drei Staatssekretäre aus dem Verkehrs-, Finanz- und Wirtschaftsministerium zu einem Weiterbau von Stuttgart 21 zu bestimmen.“
c) Das Bundeskanzleramt hat daraufhin durch seine Prozessanwälte im Schriftsatz vom 2.06.2015 auf Seite 2 erklärt:
„Die Sachverhaltsdarstellung des Klägers ist in den wesentlichen Punkten zutreffend.“
Beweis: Schriftsatz der Rechtsanwälte Redeker, Sellner, Dahs und Koll. vom 2.06.2015, Anlage 8
Dieses Eingeständnis gilt für den oben wiedergegebenen Sachverhalt, der in der Klagbegründung genauer erläutert wurde und in den zentralen Punkten mit der Schilderung in der Strafanzeige vom 25.03.2013 über-einstimmt. Das Geständnis gilt somit auch für die Tatsachenangaben, die – wie oben zitiert – den Beweisanträgen von führenden Politikern anhand entsprechender Agenturmeldungen und Interviews zugrunde liegen.
Ein solches „Entgegenkommen“ muss – nicht allein der Wahrheit wegen – einen prozessualen Grund gehabt haben: Die Strategie der Gegenan-wälte und des Bundeskanzleramts bestand gewiss darin, eine Vernehmung der politischen Prominenz durch das Verwaltungsgericht Berlin tunlichst zu vermeiden und den Sachverhalt deshalb einzuge-stehen. Lediglich auf Seite 4 des Schriftsatzes der Kanzlei Redeker, Sellner, Dahs wird der Sachverhalt durch die nachfolgende rechtliche Bewertung zu relativieren versucht:
„Die Beklagte weist den vom Kläger erweckten Eindruck zurück, die Staatssekretäre … seien in unzulässiger Weise beeinflusst worden …“
Beweis: Wie oben
Die Erläuterungen dazu heben zur Begründung (S. 4) darauf ab, die Aufsichtsratsmitglieder seien weisungsunabhängig und für ihre Entscheidungen allein verantwortlich, die Bundesregierung führe als Alleinaktionärin der DB AG regelmäßig Gespräche mit dem Vorstand und mit den von ihm in den Aufsichtsrat entsandten Mitgliedern und habe ein genuines Interesse an den Entscheidungen, zumal Stuttgart 21 ein „Infrastrukturprojekt von außerordentlich hoher politischer Bedeutung“ sei.
Beweis: Wie oben
Hiernach steht fest, dass das Bundeskanzleramt und die Entscheider auf höchster politischer Ebene vor dem Beschluss des Aufsichtsrats der DB AG mit aller Macht definitiv und vorbehaltlos den Weiterbau von S 21 eingefordert haben. Die geschilderte, vom Bundeskanzleramt nicht bestrittene ministerielle Einwirkung auf den Wirtschaftsstaatssekretär unterstreicht die tatsächliche Situation drastisch. Erst nachträglich geltend zu machen, die Beschuldigten seien eigenverantwortlich und weisungsunabhängig, trifft zwar als Wiedergabe der Rechtslage zu, entlarvt sich aber als unwahr, als pure Farce, wie die genannten, im Wahrheitsgehalt gar nicht in Zweifel gezogene Klagbegründung vom 25.02.2015 samt Presseberichten bis hin zum „Anruf beim Minister“ (siehe Wirtschaftswoche, Anlage 8) zeigen.
IV. Weitere Einordnung der neuen Fakten in die seitherigen Tatvorwürfe
1. Nach der früheren Sachlage war unbekannt, ob und in welcher Weise das kritische Dossier aus dem Bundesverkehrsministerium bei der Entscheidung des Kanzleramts und der damaligen Regierungsvertreter eine Rolle spielte und welche Gründe dabei zum Zuge kamen. Die Ausgangslage ist jetzt grundlegend neu. Die zeitliche und inhaltliche Aufeinanderfolge der dargestellten Vorgänge innerhalb des Kanzleramts und seines Vorgehens nach außen sind jetzt unübersehbar.
Es war auf Seite 6 bis 8 Ziffer 3, 4 und 5 der Strafanzeige vom 25.03.2013 bereits genau beschrieben und untermauert, in welcher Weise die definitive politische Entscheidung für den Weiterbau von S 21 einige Tage nach dem Gesprächsvermerk vom 5.02. 2013 etwa Mitte Februar 2013 mitgeteilt wurde. Das geschah unisono durch die Bundeskanzlerin und wichtige andere politische Entscheidungsträger und wurde durch zahlreiche Medien übermittelt. Ergebnis:
a) Die Sache war „politisch gelaufen“. Wenn die drei Staatssekretäre der Bundesregierung im Aufsichtsrat nicht ihr Amt riskieren wollten, hatten sie keinerlei Chance auf eine eigenständige, allein am Unternehmens-wohl orientierte Entscheidung (siehe den Bericht in der Wirtschafts-woche vom 18.03.2013 „Anruf beim Minister“).
Finanzstaatssekretär Bernhard Beus ist deshalb „wegen gesundheitlicher Probleme“, der Aufsichtsratssitzung vom 5.03.2013 fern geblieben, sicher weil der politische Druck seine Gewissensentscheidung belastete, wogegen der Beschuldigte Ziffer 5 durch den damaligen Wirtschafts-minister Philipp Rösler „auf Vordermann“ gebracht wurde (siehe den Bericht der Wirtschaftswoche 2013, Nr. 12 Seite 14, Strafanzeige vom 25.03.2013 Seite 7 mit Nachweis).
b) Die politische Entscheidung war in der öffentlichen Botschaft an keiner Stelle mit dem Vorbehalt verbunden, die drei Staatssekretäre der Bundesregierung hätten selbst zu entscheiden. Das wurde nicht erklärt, weil es nicht gewollt war.
c) Aus den vorgelegten Gesprächsvermerken und Berichten des Bundeskanzleramts ist eindeutig abzuleiten, dass gerade nicht aus-schließlich das Unternehmenswohl der DB AG eine Rolle spielte (wie rechtlich geboten laut BGHZ 134,244, 253, siehe auch nachfolgende Ziffer), sondern ganz andere politische Einschätzungen für die Entscheidung maßgebend waren, nämlich (s. oben III Ziffer 5 a) bis c)):
(1) die politische Bedeutung des Projekts, zu dem sich die Bundeskanzlerin bekannt hat (die Fragen der Wirtschaft-lichkeit und des Nutzens sind dann untergeordnet),
(2) es müsse sich die Umsetzbarkeit großer Infrastruktur-projekte in Deutschland erweisen (auf deren Sinnhaftigkeit kann es dann nicht entscheidend ankommen),
(3) das „eindeutige Votum der Volksabstimmung“ müsse von allen Beteiligten umgesetzt werden (es spielt dann keine Rolle, dass die im Finanzierungsvertrag der Projektpartner vom 2.04.2009 zugrunde gelegte Kostenobergrenze von 4,526 Milliarden Euro und damit die Geschäftsgrundlage des Vertrags ein Jahr danach inclusive Risikopuffer um bis zu 2,3 Milliarden Euro überschritten wurde und der Volksabstim-mung die Legitimation entzogen wurde).
2. Im Zeitpunkt der Mitte Februar 2013 auf vielfache Weise öffentlich gemachten definitiven, vorbehaltlosen politischen Entscheidung für den Weiterbau von Stuttgart 21 standen die Forderungen aus dem Dossier des BMVBS – und damit die erkennbare Haltung der drei Staatssekretäre der Bundesregierung – eindeutig in Gegensatz dazu. Das ist mit folgenden Punkten zu konkretisieren:
a) Der Vermerk des Kanzleramts für das Gespräch der Kanzlerin mit Herrn Kretschmann vom 1.02.2013 betont, welche Bedin-gungen und Nachweise der Aufsichtsrat (siehe näher oben III Ziffer 3) gestellt habe. Diese gesetzmäßige Haltung, die der Aufsichtsrat schuldete, wurde aber auf der politischen Ebene vereitelt.
b) Die Tatsache, dass jedenfalls 1,1 Milliarden Euro vom Bahn-Vorstand selbst zu verantworten sind (siehe oben III Ziffer 2), möglicherweise auch – eventuell mit Ausnahme von Kosten der „Schlichtung“ und des Filderdialogs (so ausdrücklich das Dossier, siehe oben III Ziffer 9 d)) – wird politisch ignoriert. Es überrascht nicht, dass diese heikle Frage vom betroffenen und damit befangenen Vorstand der DB AG nicht aufgegriffen wurde. Diese Frage politisch auszugrenzen, war jedoch gesetzwidrig.
c) Für den Weiterbau von S 21 verblieb, wie die amtlichen Vermerke zeigen, allein das Argument zu hoher Ausstiegs-kosten. Gerade dies hätte es zwingend erfordert, wie es das Dossier verlangte, die schuldhafte Verursachung dieser Kosten durch die Entscheidung der Bahn-Gremien und deren Haftung dafür zur Schadensminderung einzubeziehen. Diese Absicht der Staatssekretäre wurde durch die definitive politische Vorgabe im Keim erstickt.
d) Das Dossier aus dem BMVBS hatte noch festgestellt (siehe oben III Ziffer 9 a)), die Argumente der DB AG, Alternativen zu S 21 zu verwerfen, würden nicht greifen. Gemäß dieser Einsicht aus dem Fachressort ist damit die sachwidrige politisch gefällte Entscheidung von Mitte Februar 2013, Alternativen zu S 21 zu verwerfen, unbegründet.
e) Mit dem Dossier haben die Staatssekretäre auch gefordert (siehe oben III Ziffer 9 c)), der Aufsichtsrat solle nur dann über die S 21-Finanzierung entscheiden, wenn sich die DB AG vorher mit den Projektpartnern geeinigt habe. Auch dieses Votum wurde durch die politisch getroffene Entscheidung ignoriert.
3. Das Eingeständnis des im Prozess vor dem VG Berlin anwaltlich vertretenen Bundeskanzleramts wiegt schwer, dass der diesseitige Sachvortrag im wesentlichen zutreffe, wie sehr die politischen Entscheidungsträger auf den Weiterbau von Stuttgart 21 einwirkten, weil sie die Ausstiegsdebatte aus machtpolitischem Kalkül vor der Bundestagswahl nicht zulassen wollten (oben III Ziffer 11).
Da sich die Beschuldigten dem machtpolitischen Kalkül unterworfen haben, verletzten sie wissentlich und willentlich ihre Pflicht zur Vermögensbetreuung der DB AG.
4. Der Generalstaatsanwalt Berlin hat in seiner abweisenden Verfügung vom 31.10.2013 – 121 Zs 740/13 – Seite 3 erklärt,
„dass die für diese Entscheidung verantwortlichen Beschuldigten wider besseres Wissen den Anschein erweckten, dass die Fortführung des inzwischen absehbar unwirtschaftlichen Projekts betriebswirtschaftlich immer noch günstiger sei als dessen Abbruch, liegt insbesondere deshalb fern, weil diese Einschätzung ausweislich der Vorlage des DB-Vorstands für die Aufsichtsrats-sitzung am 5. März 2013 von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die bereits im Zuge der Schlichtung im Herbst 2010 eingeschaltet worden waren, für plausibel erachtet wurde.“
Der als Beweismittel aus dem Bundeskanzleramt vorgelegte Akten-vermerk vom 5.02.2013 macht aber – wie oben III Ziffer 6 ausgeführt – deutlich, dass von den Staatssekretären der Bundesregierung und speziell aus dem Bundesverkehrsministerium 130 Fragen gestellt waren, die auch den Ausstieg aus dem Projekt Stuttgart 21 betrafen, dass aber die anschließend Mitte Februar erfolgte politische Entscheidung vorbehaltlos den Weiterbau von S 21 einforderte und die Staatssekretäre – losgelöst von der eingeräumten Unwirtschaftlichkeit des Projekts – mit ihren Forderungen kein Gehör fanden und sich dem politischen Druck zu beugen hatten.
Einen „gewissen politischen Druck“ räumt der Generalstaatsanwalt selbst auf Seite 4 seines Bescheids ein, er bezweifelt aber
„den zureichenden Anhalt dafür, dass die Beschuldigte sich, wie Sie meinen, in Kenntnis der Unwirtschaftlichkeit der Fortführung des Projekts „Stuttgart 21“ im Vergleich zu dessen Abbruch aus sachfremden Erwägungen für die Fortführung des Projekts ausgesprochen haben.“
Auf der Basis der vorliegenden Vermerke aus dem Bundeskanzleramt und der definitiven Weiterbau-Forderung von höchster politischer Ebene blieb den Staatssekretären aber kein Raum, ihre sachdienlichen Forderungen gegen die Fortführung des Projekts zur Geltung zu bringen. Die Staatssekretäre waren einem Dilemma zwischen ihrer politischen Zukunft und ihrem Gewissen ausgesetzt. Das ändert aber nichts daran, dass sie ihrer Gesetzesbindung hätten entsprechen müssen. Die Beschuldigten wussten auch, dass sie sich, wie vom Aktionsbündnis gegen S 21 den Aufsichtsräten schriftlich und öffentlich angekündigt, der Strafverfolgung aussetzten, wenn sie sich dem massiven politischen Druck beugten.
Zu erinnern ist deshalb daran, dass es bereits „sachfremd“ ist, wenn die Kontrollaufgabe des Aufsichtsrats und die Entscheidung des Vorstands nicht „ausschließlich am Unternehmenswohl“ orientiert ist (BGHZ 134, 244, 253 f., siehe auch bereits die Hinweise in der Strafanzeige S. 8 f. und S. 21).
Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft hat nach einhelliger Rechts-auffassung dabei nicht allein die Wirtschaftlichkeit, sondern auch die Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Vorstandshandelns zu überwachen (Spindler/Stilz, Kommentar zum Aktiengesetz Bd. 1, 2.Auflage 2010, § 111 Rn 14-16, Semler in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Auflage 2004, § 116 Rn 262 ff., vgl. auch BGHZ 124, 111, 126). Vorliegend steht der unstreitige Wegfall der Wirtschaftlichkeit von S 21 dem Unternehmenswohl ent-gegen. Zugleich ist für die Beachtung der ergänzenden vorbezeichneten Maßstäbe – in der Strafanzeige vom 25.03.2013 Seite 16 bis 18 vorge-tragen – nichts bekannt und auch nichts erkennbar dokumentiert, wie es aktienrechtlich zur Vermeidung einer Vorstandshaftung geboten gewesen wäre (vgl. Röttgen, Kluge, NJW 2013, 900 ff. sowie die frühere Strafanzeige S. 23).
Im Gegensatz zur Orientierung „ausschließlich am Unternehmens-wohl“ stehen Maßstäbe wie „die Bundeskanzlerin hat sich explizit zu S 21 bekannt“, „es geht um die Umsetzbarkeit großer Infrastrukturvorhaben in Deutschland“ oder „die Volksab-stimmung fordert die Umsetzung von S 21“ (s. oben III Ziffer 5 c)).
Die vom Generalstaatsanwalt angeschnittene weitere Frage, ob es möglicherweise sachdienliche Erwägungen für die Fortführung des Projekts im Vergleich zum Abbruch gegeben hat, darf jedenfalls jetzt – angesichts der neu eingeführten Fakten – im Hinblick auf die von der DB AG geltend gemachten Ausstiegskosten auf keinen Fall auf der Ebene mangelnden Vorsatzes abgebogen werden.
Es wäre nicht mehr vermittelbar und unvereinbar mit dem Verbot der Strafvereitelung im Amt, den vorgetragenen tatsächlichen Anhaltspunkten für die Verletzung der Vermögensbetreuungs-pflicht der DB AG und ihrer Schädigung trotz der neuen Beweislage nicht nachzugehen.
5. In Frage steht, ob sich die Beschuldigten darauf berufen können, wie der DB – Vorstand zu dessen Schutz behauptet, der Ausstieg aus Stuttgart 21 habe abgelehnt werden müssen, weil er unwirtschaftlicher gewesen wäre als die – unwirtschaftliche – Fortführung des Projekts. Dazu ist zu erklären:
a) Die unerlässlich notwendige Klärung dieser Frage durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen hat bereits Prof. Dr. Felix Herzog in seiner „Gutachterlichen Stellungnahme“ vom 4.10.2014 eindringlich begründet. Der Gutachter hat auf Seite 7 auch überzeugend hervorgehoben, dass die Deutsche Bahn AG trotz ihrer privatrechtlichen Rechtsform an Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge gebunden ist und sich deshalb nicht schlicht auf ihre „unternehmerische Entscheidungs-freiheit“ zurückziehen kann. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat das in einem Urteil vom 5.05.2015 (1 S 1949/13) ähnlich ausgedrückt mit den Worten, die Deutsche Bahn AG sei der „verlängerte Arm des Staates“ und somit an das Grundgesetz gebunden.
b) Zur Frage der Ausstiegskosten ist Bezug zu nehmen auf den Vortrag und auf die Beweisangebote in der Strafanzeige insbesondere Seite 11 ff., ferner auf den späteren Sachvortrag auch in der Beschwerde vom 3.06.2013 und deren Anlage 38. Darin werden die behaupteten zwei Milliarden Ausstiegskosten in folgender Weise aufgegliedert:
aa) Als größte Position werden 1,089 Milliarden € genannt, die durch Projektfortschritt seit 12/2009 entstanden seien. Bereits im Dossier des BMVBS wird aber (Seite 9 f.) erklärt,
es müssten Regressforderungen gegen den Vorstand geprüft werden, weil er einräumt, dass der Konzern für Mehrkosten in Höhe von 1100 Mio. € verantwortlich sei.
Dabei wiegt vorliegend schwer und wurde vom Vorstand der DB AG sowie im PwC-Vermerk (Zwischenergebnis) – siehe oben III Ziffer 10 – eingestanden, dass der Vorstand mit Wissen des Aufsichtsrats genau im Dezember 2009 die Projektkosten um 891 Millionen Euro „schönrechnen“ ließ, als die Projektpartner nach § 2 FinVe bei Kenntnis der Wahrheit ihr Recht auf den „qualifizierten Ausstieg“ aus dem Projekt noch hätten wahrnehmen können. Die gesamten Mehrkosten des Projekts, auf die sich der Bahn-Vorstand am 12.12.2012 und nachfolgend berief, hätten sich also bei pflichtgemäßem Verhalten der Beschuldigten Ziffer 1 und 2 und der Aufsichtsräte, soweit sie den Durchblick haben mussten, vermeiden lassen.
Der DB AG steht es dann aber keinesfalls zu, einen späteren Ausstieg aus Stuttgart 21 wegen dieses Eigenverschuldens zu verhindern.
Die Eigenhaftung der Bahn AG für 1,1 Milliarden Euro wurde am 12.12.2012 und in den Vermerken des Kanzleramts anerkannt, so dass dies auch für die Staatsanwaltschaft Berlin beachtlich sein muss. Die Bahn-Kalkulation zu zwei Milliarden € Ausstiegskosten muss also auch deshalb scheitern, weil diese 1,1 Milliarden € unstreitig nicht auf Dritte abwälzbar sind und weil insoweit interne Regressansprüche gegen Entscheidungs-träger der DB AG zu beachten sind.
Der Aufsichtsrat hat nämlich die Pflicht, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der AG gegenüber den Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen (BGH, Urteil vom 21.04.1997, Az. II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 = NJW 1997, 1926). Kommt der Aufsichtsrat zu dem Ergebnis, dass sich der Vorstand schadensersatzpflichtig gemacht hat, muss er aufgrund einer sorgfältig und sachgerecht durchzuführenden Risikoanalyse abschätzen, ob und in welchem Umfang die gerichtliche Geltendmachung zu einem Ausgleich des entstandenen Schadens führt. Gewissheit, dass die Schadensersatzklage zum Erfolg führen wird, kann nicht verlangt werden (BGH, aaO).
bb) Unabhängig davon ist namentlich die Position von 548 Millionen Euro für Schadensersatz mit 30 % auf Rest-Obligo der Verträge weder nachvollziehbar noch glaubwürdig. Auch dies begründet einen Täuschungsverdacht, denn nach der gesetz-lichen Regel des § 649 Satz 3 BGB wird vermutet, dass der Besteller eines Werks dem Unternehmer bei Kündigung des Vertrags nur 5 % und nicht 30 % der Vergütung für die noch nicht erbrachte Leistung zu bezahlen hat. Wenn die DB AG aber das Sechsfache der gesetzlichen Vergütung als Ausstiegskosten berechnet, bedarf dies zwingend der Überprüfung der insoweit behaupteten Vertragslage.
cc) Die DB AG beruft sich ferner darauf, sie müsse 795 Mio. € an die Stadt Stuttgart bezahlen, wenn es zur Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags zu Stuttgart 21 komme. Das ist aber nach Grund und Höhe unberechtigt, da die Bahn im Gegenzug die Grundstücke zurück erhält, es sich also nur um einen Rücktausch handelt (insoweit ist Bezug zu nehmen auf die Strafanzeige vom 25.03.2013, Seite 13 f. unter IV. Ziffer 5 c) und d)).
V. Erforderliche Ermittlungen
In der Quintessenz sollen einige Aspekte genannt werden, die angesichts des neuen Sachstands staatsanwaltschaftliche Ermittlungen unerlässlich machen:
1. Zur Beurteilung der Rechtspflichten der Beschuldigten, die sie aktien-rechtlich gegenüber der DB AG und bei Verletzung ihrer Vermögens-betreuungspflicht auch strafrechtlich inne hatten (BGHSt 50, 343 f. Rn 13), ist zu verweisen auf die in der Strafanzeige vom 25.03.2013, Seite 8 f. und Seite 20 bis 24 zitierte Rechtsprechung und Fachliteratur.
Auf Seite 12 der diesseitigen Beschwerdeschrift vom 3.06.2013 gegen die abweisende Verfügung der Staatsanwaltschaft Berlin wird auch das einschlägige Urteil des OLG Stuttgart vom 29.02.2012 zitiert (20 U 3/11, ZIP 2012, 625, siehe dazu ferner vertiefend die BGH-Rspr. oben IV Ziffer 5 b)):
„Bei Geschäften, die wegen ihres Umfangs, der mit ihnen verbundenen Risiken oder ihrer strategischen Funktion für die Gesellschaft besonders bedeutsam sind, muss jedes Aufsichtsratsmitglied den relevanten Sachverhalt erfassen und sich ein eigenes Urteil bilden,; dies umfasst regelmäßig eine eigene Risikoanalyse.“
2. Angesichts des jedenfalls jetzt nachgewiesenen enormen politischen Drucks, der den vom DB-Vorstand angesteuerten und inszenierten Weiterbau- Beschluss des Aufsichtsrats vom 5.03.2013 zum „Muss“ für die Beschuldigten machte, ist festzustellen:
a) Die Beschuldigten Ziffer 1 und 2 als Vorstände der DB AG haben sich – wie die fünf Vermerke des Kanzleramts erweisen – zum ausführenden Arm von politischen Entscheidern gemacht, die mit dem Weiterbau von Stuttgart21 ausschließlich Partei-, Wahl- und Machtinteressen, in keiner Weise jedoch das Unternehmenswohl verfolgten.
Sie mussten aufgrund des PwC-Gutachtens am 12.12.2012 das eigene Verschulden an Mehrkosten des Projekts von 1,1 Milliarden Euro einräumen und hätten sich ihrer Haftung auf Schadensersatz stellen müssen. Es ist verständlich, aber im Sinne des Unternehmenswohls nicht verzeihlich, dass sie sich dem verschlossen und sich den nachhaltigen politischen Interessen gebeugt haben.
b) Auch die Staatssekretäre der Bundesregierung befanden sich in dem schon beschriebenen Dilemma zwischen ihrem hohen Rang innerhalb der Bundesregierung und der gesetzlich geforderten Eigenständigkeit ihrer Stellung als Aufsichtsräte der DB AG. Nur konnte sie das bei der weitreichenden Entscheidung über Weiterbau oder Ausstieg aus dem Projekt nicht – wie geschehen – zur Preisgabe ihrer Rechtspflichten verleiten, zumal sie bereits, wie der PwC-Vermerk vom Januar 2013 erweist, bereits im Dezember 2009 Kenntnis von der „Schönrech-nung“ des Projekts über 891 Mio. € hatten.
Auf keinen Fall hätten sie sich, wie insbesondere der Bericht der Wirtschaftswoche vom 18.03.2013 erweist, ihr Stimmverhalten beim Beschluss vom 5.03.2013 en bloc – und entgegen den zuvor gestellten Forderungen – dem politischen Verlangen beugen dürfen, das in keiner Weise am Unternehmenswohl orientiert war.
c) Der Aufsichtsratsvorsitzende Felcht und Aufsichtsratsmitglied Döring haben nach dem Bericht der Wirtschaftswoche „Anruf beim Minister“ vom 18.03.2013 maßgeblich darauf eingewirkt, dass Staatssekretär Heitzer seine bekannt gewordene ablehnende Haltung zum Weiterbau-Beschluss von Stuttgart 21 durch unmittelbare „Regelung“ seines Ministers aufgab und sich dessen Druck beugte, so dass der Aufsichtsratsbeschluss vom 5. März 2013 gesetzwidrig nicht eigenverantwortlich, sondern durch politische Unterwerfung der Aufsichtsräte zustande kam.
3. Abschließend werden einige staatsanwaltliche Ermittlungen aufgezählt, die nach Lage der Dinge beispielhaft für geboten erachtet werden:
(1) Beiziehung der ungeschwärzten Vermerke des Kanzleramts zur Klärung der Frage, ob die Staatssekretäre der Bundesregierung – wie es der Vermerk vom 9.01.2013, Seite 1 letzter Absatz indiziert – ihr Abstimmungsverhalten nach der Forderung ihrer Vorgesetzten richten mussten oder im Abstimmungsverhalten unabhängig allein dem Unternehmenswohl folgen durften.
(2) Vernehmung von Staatssekretär Dr. Bernhard Beus, Krumme Str. 61, 10627 Berlin, der an der Abstimmung vom 5.03.2013 im Aufsichtsrat der DB AG wegen „gesundheitlicher Probleme“ nicht teilnahm, zu dieser Frage und zu weiteren Fragen, insbesondere ob die im Februar 2013 von der Kanzlerin , den Bundesministern Schäuble, Ramsauer und Unionsfraktionschef Volker Kauder über zahlreiche Medien vertretene Entscheidung, Stuttgart 21 müsse unbedingt weitergebaut werden, „die Bundesvertreter im Aufsichtsrat hätten sich auf diese Linie verständigt“ (Bericht Reuters vom 21.02.2013) damals den Tatsachen einer eigenverantwortlichen Entscheidung oder einer aktienrechtlich nicht zulässigen Weisung entsprach, zumal die im Fragenkatalog der Staatssekretäre vom 21.12.2012 und im Dossier des BMVBS für den Workshop vom 5.02.2013 enthaltenen Aussagen ganz anders lauten.
(3) Vernehmung des Arbeitnehmervertreters Mario Reiß ( GdL), Bergstr. 5, 04860 Sütlitz, zum Verlauf des Workshops im Aufsichtsrat der DB AG vom 30.01.2013 (erwähnt im Kanzleramtsvermerk vom 5.02.2013, Seite 2), um feststellen zu können, welche Maßstäbe für die Erörterungen über Ausstieg oder Weiterbau des Bauprojekts Stuttgart 21 wesentlich und bei der Abstimmung vom 5.03.2013 bestimmend waren.
(4) Vernehmung von Zeugen, die im Bericht der „Wirtschaftswoche“ vom 18.03.2013 unter dem Titel „Anruf beim Minister“ genannt sind, zu den Begleitumständen der vom Beschuldigten Ziffer 3 kurz vor der Aufsichtsratssitzung vom 5.03.2013 geleiteten Sitzung von Aufsichtsräten der Anteilseigner, durch die ihr Abstimmungsverhalten vom 5.03.2013 bei der Beschlussfassung des AR „geregelt“ wurde.
(5) Vernehmung von Verantwortlichen der Deutschen Bahn AG und Überprüfung entsprechender Verträge mit Baufirmen, wie es sich mit der Behauptung des Konzernvorstands verhält, die Bahn hätte im Ausstiegsfalle – entgegen der gesetzlichen Vermutung des § 649 S.3 BGB von 5 % – unwahrscheinliche „30 % aus dem Restobligo“, nämlich 548 Mio. € als Schadensersatz bezahlen müssen, so dass deshalb der Ausstieg teurer gekommen wäre als der Weiterbau des Projekts Stuttgart 21.
(6) Vernehmung von Verantwortlichen der DB AG und Überprüfung der einschlägigen Bahn-Unterlagen, um festzustellen, wer für die Verursachung der eingestandenermaßen selbst verschuldeten 1,1 Milliarden Euro Mehrkosten (siehe Kanzleramtsvermerke sowie Bahn-Dokument vom 10.12.2009 , ferner PwC-Vermerk vom Januar 2013 Randnr. 155 f.) innerhalb des Konzerns auf Vorstandsebene verantwortlich ist und ob der Schaden durch entsprechende Regress-zahlung ganz oder teilweise ausgeglichen werden kann, ggfs. durch eine insoweit bestehende Haftpflichtversicherung.
(7) Vernehmung des Staatssekretärs Dr. Bernhard Beus, Krumme Str. 61, 10627 Berlin, und anderer Mitglieder des Aufsichtsrats der DB AG (auch des benannten Arbeitnehmervertreters Mario Reiß (GdL), wie benannt) zu der Frage, warum der Aufsichtsrat es unterlassen hat, das Bestehen und die Durchsetzbarkeit von Regressansprüchen gegen den Vorstand der DB AG eigenverantwortlich zu prüfen, obwohl dies nach der BGH-Rspr. geboten war (siehe oben IV Ziffer 5 b)) und obwohl bereits das BMVBS-Dossier zu prüfen verlangte, ob die Verantwortung für die Mehrkosten von Stuttgart 21 in Höhe von 1.100 Mio. € „in konkreten Personen, insbesondere Vorständen, zu verorten ist“ (siehe oben III Ziffer 9 d)).
(8) Vernehmung des ehemaligen Bahn-Vorstands Stefan Garber, des Vorgängers des Beschuldigten Ziffer 2, der auf Beschluss des Aufsichtsrats der DB AG vom 9.12.2009 von seinen Aufgaben zum 1.Januar 2010 freigestellt wurde und das DB-Unternehmen im März 2010 verließ . Der Zeuge müsste das Insiderwissen haben, um zur Aufklärung der zuvor genannten Frage und dazu beitragen zu können, warum es nach dem Erstgutachten des Projektleiters Hany Azer über Projektkosten von Stuttgart 21 über 4,979 Milliarden € (siehe PwC-Gutachten Rn 153ff.) vom Herbst 2009 zu einer nur groben und erkennbar unbegründeten Berechnung von „Einsparpotentialen“ von 891 Millionen € kam, die für die im Dez. 2012 eingestandenen selbst verschuldeten Mehrkosten von 1,1 Mrd. € ursächlich waren.
Die Anschrift des Zeugen lautet:
Stefan Garber
quattron management consulting gmbh
Schaumainkai 87
60596 Frankfurt a. M.
Abschließend bitte ich um die Bestätigung des Eingangs der Strafanzeige und um die Angabe des dortigen Aktenzeichens.