Herrn Bauers baahnsinnige Sprüche zu S21
Norberts Kurzbeitrag zur 722. Montagsdemo am 2. 9. 2024
Liebe mit-denkende, immer noch mit-zornige, mit-gealterte Weggefährt-Innen im gemeinsamen Widerstand gegen das große Blendwerk in unserer Stadt!
In der Juli-Ausgabe des Projektmagazins zu S21- das ist das bei der Bahn und in den Zügen aus-liegende Jubel-Blättchen mit dem Titel „BEZUG“ – findet sich als Aufmacher ein bemerkenswertes Interview mit Bernhard Bauer, dem Vorsitzenden des Vereins Bahnprojekt Stuttgart-Ulm-e.V.
Anlass zu diesem Interview ist zum einen das inzwischen 30 Jahre alte Großprojekt und dessen neuerlich auf 2026 hinausgeschobene schrittweise Fertigstellung. Auf 5 Seiten des Magazins verbreitet Bauer sein einseitiges, verklärendes Bild von Stuttgart 21.
Dem Interview vorangestellt hat er noch ein Vorwort in Doppelautorschaft mit Olaf Drescher, in dem beide die Verschiebung der Eröffnung „ein Gebot der Vernunft“ nennen. Und trotzdem sei S21 „erkennbar auf der Zielgeraden“. Der Preis dafür sei unter anderem, dass der Kopfbahnhof auch 2026 weiter in Betrieb bleiben werde, „bis dahin letztlich Basis für den Netzfahrplan“, wie sie zweideutig-undeutlich hinzufügen.
30 Jahre sei es nun her, dass die Idee für dieses Jahrhundertbauwerk von den vier Schwaben Matthias Wissmann, Heinz Dürr, Erwin Teufel und Manfred Rommel öffentlich vorgestellt worden sei, eine wie sie sagen „glückliche Fügung der Geschichte“.
Mit der Fertigstellung von S21 würden, so die beiden (Phrasen-)Drescher, „auch noch nachfolgende Generationen den Visionären dankbar sein, die Stuttgart 21 mit Gestaltungswillen, Weitsicht und Entschlossenheit auf den Weg gebracht haben – und auch jenen, die das Projekt geplant, gebaut und erfolgreich in Betrieb genommen haben werden.“
Das Interview mit Bernhard Bauer enthält eine Fülle hinreißender, geradezu haarsträubend-beschö-nigender Äußerungen zu S21, die ich Ihnen hier zum Besten gebe:
Meine Zitatensammlung beginnt damit, dass es mit S21 möglich war, „eine Wunde der Stadtentwicklung zu schließen und gleichzeitig neue Räume fürs Wohnen zu gewinnen.“ Das alles werde noch „garniert mit dem Effekt, dass der Zugverkehr schneller und besser“ werde. Das habe ihn, (Bauer), damals „nicht nur überzeugt, sondern regelrecht in den Bann gezogen.“ Die Faszination sei in den 3 Jahrzehnten sogar größer geworden.
Weiter unten – nicht weiter verwunderlich – folgt Bauers Hymne auf die einzigartige Architektur von Ingenhoven, der „schon in den 90-er Jahren nachhaltig geplant“ habe. Der Bahnhof werde, so Bauer, „komfortabler als alles, was man bisher kannte.“
Zum Thema Kommunikation meint Bauer: Die Erfahrung habe gezeigt, dass es bei solchen Projekten wichtig sei, die Menschen mit einer umfassenden Kommunikation von Anfang an einzu-beziehen, Vertrauen zu bilden und zu erhalten. Nach der „Schlichtung“ habe sich die Kommunika-tion durchaus verbessert. Sie sei wesentlich transparenter, offensiver und auch aktueller geworden.
Das Ergebnis der Volksabstimmung referiert Bauer auf seine Weise: In Stuttgart seien knapp 53% und in Baden-Württemberg sogar 59% für das Projekt gewesen, wobei er großzügig unterschlägt, dass es hier nur die abgegebenen Stimmen waren und das Quorum nicht erreicht wurde. Die Faszination der Menschen belegt Bauer mit den riesigen Besucherzahlen auf der Baustelle.
Einen wesentlichen Trend in der Kritik gegen S21 sieht Herr Bauer in einer Hysterie im Alltag, einer Skandalisierung und oft auch Panikmache von Seiten vermeintlicher Experten, die noch nie eine belastbare eisenbahntechnische Untersuchung verantwortet hätten. „Wo Halbwahr-heiten wider besseres Wissen die Runde machen, Fakten teilweise zurechtgebogen und umgeformt werden, da regiert über kurz oder lang der größte Feind der Demokratie – die Lüge“. Und dies wolle keiner! So biegt er sich die Wirklichkeit zurecht…
Für Bauer ist von zentraler Bedeutung, dass S21 innovativ sei. Dieses Projekt sei wie kaum ein anderes ein Beispiel von Innovationsfähigkeit im Land und ein Motor für seine Wirtschaft.
Die wegen vieler Faktoren so stark gestiegenen Kosten seien politisch weiter zu verantworten. – es sei aus seiner Sicht gut angelegtes Geld, weil etwas Bleibendes entstehe, einschließlich des digitalen Knotens Stuttgart – ein Leuchtturm-Projekt, von dem angeblich selbst die Schweizer Verkehrsexperten schwärmten!
Am Ende des Interviews schwingt sich Bauer dazu auf, das von ihm beworbene Projekt als einen Gewinn für das Land zu bezeichnen „Dieses Projekt dient den Menschen“, so lautet sein Fazit.
Mir kamen fast die Tränen angesichts der von Moral, Zuversichtlichkeit, Stolz und Schönfärberei getragenen Aussagen des Herolds Bauer, der für sein S21-Projekt aus freien Stücken trommelt, was ich nicht begreifen kann.
Mit seinem Interview hat er mich nicht bekehren können.
Ich sehe unser Ziel auch weiter klar vor meinem Auge, welches – immer noch – mit dem prägnant-kappen Ruf klar umrissen ist:
OBEN BLEIBEN!