Liebe Freundinnen und Freunde,
drei starke Punkte sind es, die darauf hinweisen, dass der S21-Riese doch ins Wanken zu bringen ist. Das Klimathema, das die Herrschaften als erstes zum Nachdenken bringen sollte, ist nicht dabei. Deutliche Spuren haben aber die jüngsten Vorankündigungen weiterer Mehrkosten und Zeitverzögerungen hinterlassen. Zum Zweiten gerät das Projekt massiv in die Defensive unter dem auch juristischen Druck beim Thema Brandschutz. Und das alles lässt, zum Dritten, eine zunehmende Verunsicherung bei den Verantwortlichen sichtbar werden.
1. Kostenexplosion
Offenbarungseid und wieder nur ein kleiner Teil der Wahrheit!
Beim Thema Kosten scheint sich die Republik nochmal der alten Stuttgart21-Geschichte zu erinnern. Bundesweit machte jedenfalls die Nachricht Schlagzeilen, dass sich Stuttgart21 um eine weitere Milliarde verteuern würde. Und nebenbei wird lanciert, dass es natürlich nicht beim Fertigstellungstermin Ende 2025 bleiben wird, man im DB Vorstand inzwischen von Ende 2026 ausgehe. Nichts daran wird mit der Materie Vertraute überraschen, höchstens die Chuzpe, mit der wieder nur ein Zipfel der Wahrheit zugegeben wird. Aber auch das kennt man eigentlich schon vom Kommunikationsmanagement bei den letzten Kostenexplosionen. Es werden erste Hinweise mit einem gewissen Abstand zur letzten Wahl und vor den nächsten Wahlterminen lanciert, damit das Publikum den Schock portionsweise besser verdauen kann. Dann folgt, wie 2012 beim Sprung von 4,5 auf 6,3 Mrd. (und damit über die selbst erklärte Wirtschaftlichkeitsgrenze hinweg), ein Gutachten, eine Sondersitzung des DB-Aufsichtsrats und dann eine Entscheidungssitzung. Dies wird diesmal die Aufsichtsratssitzung vermutlich am 30. März sein, gefolgt von der Bilanzpressekonferenz am 31.3., die ein finanzielles Waterloo für die DB werden wird (eine Berlinreise zu diesen Anlässen ist geplant. Kontakt: Andy Kegreiss: andikeg@aol.com ).
Was alles an Kosten sich hinter diesem Zipfel der Wahrheit verbirgt, hat das Aktionsbündnis in einer Presseerklärung notiert. Titel: „Offenbarungseid und wieder nur ein kleiner Teil der Wahrheit!“
Mehrkostenverteilung: der nächste Sprengsatz
Weniger öffentlich bemerkt, aber vielleicht politisch folgenreicher, ist die Nachricht, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart beim Streit zwischen den Projektpartnern über die Mehrkostenträgerschaft endlich in die Pötte kommt. Das Verfahren solle in diesem Jahr „angegangen werden“.
Ende 2016 hatte die DB Stadt und Land verklagt, jeweils ein Drittel aller Mehrkosten zu tragen, d.h. aller jetzt zugegebenen und künftigen Mehrkosten! Die Stadt hat für diesen Rechtsstreit extra eine Planstelle mit Büro geschaffen (was in keiner S21-Kostenrechnung einbezogen wird). Seither gehen tausende Seiten Stellungnahmen hin und her. Man genehmigte sich gegenseitig Fristverlängerungen, wohlwissend, dass ein Richterspruch entscheiden würde, wer den Schwarzen Peter hat. Und bei demjenigen (also bei DB bzw. Bund, beim Land oder der Stadt) wird dann Feuer unterm Dach sein. Geht man allein von der jetzt zugegebenen Kostensteigerung um 1 Mrd. € aus, so ginge es erstmal „nur“ um ca. 5 Mrd. nicht finanzierter Kosten. Da Stadt und Land das Projekt massiv gefördert, immer den
Weiterbau verlangt haben, könnte das Gericht eine Drittelung der Kosten festlegen. Devise: mitgegangen, mitgefangen. Das würde für die Stadt mit gut 1,5 Mrd.€ ein Drittel ihres Haushalts 2022 ausmachen – unternehmensrechtlich wäre das die Insolvenz, faktisch jedenfalls das Ende der kommunalen Finanzautonomie. Nicht viel weniger dramatisch wäre es, wenn der Schwarze Peter anteilig beim Länd oder alles bei DB/Bund landen würde. So könnte S21 alle hochfliegenden Pläne einer Verkehrswende torpedieren, woran man sieht: die Kostenfrage ist auch die Klimafrage.
Das Gericht darf keine weitere Verschleppung zulassen. Die Klärung der Kostenträgerschaft für alles finanzielle Unheil, vor allem das, was noch zu erwarten ist, wird eine neue Bewegung in das S21-Drama bringen. Die Kosten an sich werden womöglich niemanden von den Verantwortlichen mehr ernsthaft aus der Ruhe bringen, die Entscheidung über ihre Verteilung aber kann zum Game Changer in der Kostenfrage werden.
2. Brandschutz
Die Schlinge zieht sich zu
Weiterer Beweise, dass der Brandschutz bei Stuttgart21 nicht funktionieren wird, bedurfte es eigentlich nicht. Den bisherigen Stand des Debakels hat Dr. Christoph Engelhart auf wikireal veröffentlicht.
Dennoch kommen immer weitere Mängel sozusagen aus den Tunneln ans Tageslicht. Auf eine einfache Rückfrage von Dieter Reicherter bei einer Infoführung beim Schwallbauwerk Nord antwortete Michael Pradel, Technikvorstand der PSU, mit einem Eingeständnis, dessen Tragweite er sich in der Situation der Führung vermutlich nicht bewusst war:
Pradels Eingeständnis
Die Schwallbauwerke, große hässlich Bauwerke über den geplanten Bahnsteigenden, sollen als riesige Gebläse den Rauch eines brennenden Zugs in Richtung Tunnelausgang blasen. Auf Dieter Reicherters Frage antwortete Pradel, im Brandfall sei eine sichere Evakuierung von Menschen aus der Ereignisröhre nur in der Weise möglich, dass diese Menschen sich entgegen der Richtung der eingeblasenen Luft zum nächstgelegenen Querschlag begeben und durch diesen in die Gegenröhre wechseln müssten. Eine Flucht mit der Strömungsrichtung der eingeblasenen Luft hat er ausdrücklich als nicht sicher ausgeschlossen. Diese neue Erkenntnis bedeutet jedoch, dass entgegen sämtlichen bisherigen Planungen die Evakuierung im Brandfall nicht durch zwei Querschläge erfolgen kann, sondern lediglich über einen Querschlag, wodurch sich die Evakuierungszeit extrem verlängert. Angesichts der raschen Ausbreitung der tödlichen Rauchgase ist es ausgeschlossen, dass sich sämtliche Zuginsassen selbst retten können, bevor sie vom Brandrauch eingeholt werden. Dies gilt für die 1757 Passagiere eines voll besetzten Doppelstockzugs sowie für die Reisenden weiterer bis zu zwei gleichzeitig im Ereignistunnel nachfolgender Züge. Vollends unmöglich wird die Evakuierung jedoch dann, wenn der Fluchtweg zu dem entgegen der Luftrichtung gelegenen Querschlag durch den Brand oder ein anderes Hindernis, zum Beispiel den entgleisten Zug selbst, blockiert ist. Dann bliebe nur der unsichere Fluchtweg zum entgegengesetzten Querschlag.
Noch laufen alle Vorstöße mit den Verantwortlichen bei der Bahn, in den Ministerien, bei der Stadt und der Feuerwehr ins Gespräch zu kommen, ins Leere. Diese Vogel-Strauß-Strategie wird spätestens nicht mehr funktionieren, wenn der juristische Druck zwingend wird. Derzeit haben die Ingenieure22 zusammen mit dem Aktionsbündnis, bzw. dessen Juristen Eisenhart von Loeper und Dieter Reicherter zwei Hebel angesetzt.
Antrag auf Zwangshaft für PSU-Chef Olaf Drescher.
Seit Jahren versucht sich die PSU ihrer inzwischen gerichtlich bestätigten Verpflichtung zu entziehen, Einsicht in eine Entfluchtungssimulation bei einem Tunnelbrand zu gewähren. Letzte Windung im Verzögerungsspiel der PSU war eine Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart, das Recht auf Einsicht in die Simulation mit dem Argument zu verweigern, man habe ja schon Einblick in einen selbst gefertigten Bericht über die Simulation geboten. Das VG Stuttgart hat Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausdrücklich für berechtigt erklärt, aber die Verhängung einer Zwangshaft als noch zu drakonisches Mittel angesehen und daher den Antrag abgelehnt. Am 8. Februar hat Rechtsanwalt Mann im Auftrag seines Mandanten die sofortige Beschwerde beim VGH Mannheim gegen die Ablehnung des Antrags auf sofortige Zwangshaft durch das Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht. (juristische Feinkost, siehe hier)
So spektakulär die drohende Haft gegen des S21-Chef wäre, letztlichierh geht es um S21 selbst, nämlich um die Frage, ob die Planfeststellung des Gesamtprojekts Bestand haben kann, wenn ein wesentliches Element nicht funktioniert, nämlich die sichere Rettung vieler Menschen im Falle eines Zugbrands im geschlossenen S21-Tunnelsystem mit dem Tiefbahnhof in der Mitte.
Das ist das Thema einer großen Klage der Schutzgemeinschaft Filder und Einzelpersonen aus der Bürgerbewegung, darunter Rollstuhlfahrer Charly Scherwinski, gegen die Bahn als Vorhabenträgerin von Stuttgart21, bzw. gegen ihre Eignerin die Bundesrepublik Deutschland. Auch hier findet ein aufwändiger Schriftwechsel beider Seiten statt. In der letzten Stellungnahme der Kläger sind auch die genannten neuen Erkenntnisse nachgereicht.
3. Die Nervosität nimmt zu
Irritierende Beobachtungen
Erdrückende Argumente beim Brandschutz, hilflose Reaktionen angesichts eingeräumter Kostensteigerung, dann die noch immer im Raum stehenden Korruptionsvorwürfe – das alles scheint die S21-Akteure zunehmend nervös zu machen. Indizien dafür:
- Bei der Bannerdrop-Aktion auf einem Züblinkran auf der Königstraße vor Weihnachten kletterte ein Züblinbeauftragter entgegen den mit der Polizei getroffenen Vereinbarungen umgehend auf den Kran, nach dem die Kletterer*innen von extinction rebellion ihn verlassen hatten, entfernte das Banner und zerriss es vor den Augen des Publikums ohne Not.
(Das Banner lagert übrigens beim Staatsschutz. Es ist Beweismittel für den Vorwurf des Hausfriedensbruchs. Da es unser Eigentum ist, werde es „in trockenen Räumen“ aufbewahrt und uns nach Ende des Verfahrens zurückgegeben, so der Staatsschutz.) - Zwei Stuttgart21- Gegner*innen, eine davon Doris Zilger, die auch Führungen zu S21 anbietet, wurden kurz nach Weihnachten mit Polizeieinsatz von einem Beschäftigten des Hauses der S21-Ausstellung ITS, vulgo: Lügenturm, verwiesen. Nach Protesten der Betroffenen kam es zu einem klärenden Gespräch. Es handele sich um ein Missverständnis, der Beauftragte habe überreagiert.
- Nachdem eine Gruppe Ingenieure22 zusammen mit einem Mitglied des Aktionsbündnisses mit Vertretern des Tiefbauamts die Steuerzentrale des Cannstatter Dükers auf der S21-Baustelle besichtigt hatte, kam es zu einem irritierenden Auftritt eines PSU-Geschäftsführers. Dieser äußerte sich an einem viel frequentierten Ort sehr laut und abfällig über die juristischen Aktivitäten des Aktionsbündnisses. Da trotz mehrfacher Bitte ein ruhiges sachliches Gespräch nicht geführt werden konnte, verbat sich der Vertreter des Aktionsbündnisses die lautstarken Ausfälle und erklärte die Diskussion für beendet.
- Ein völlig verunsicherter OB Nopper bot sich den Zuschauern bei einem SWR-Interview zur neuerlichen S21-Kostensteigerung. (Teil eines Beitrags mit Interviews mit S21-Gegner*innen vor der Mahnwache und später auch mit Winne Hermann)Zwanghaft verbreitete Euphorie mit einer Salve auswendig gelernter Zahlen, verbunden mit einem atemlosen Wirbel alter längst widerlegter ideologischer Versatzstücke aus der Mottenkiste der Befürworterargumentation, die vor allem eins deutlich machten: der Mann hat keine Ahnung! Ungeniert behauptet er, der in der Gleiszahl halbierte Bahnhof würde die Schienenkapazität verdoppeln (Ausschnitt SWR-Interview s. Anlage). Wenn sich zeigen würde, dass der Bahnhof je zu klein wäre, könne man ja die Zuläufe „optimieren“, womit er wahrscheinlich die Ergänzungsbauwerke Bilgertunnel und Zuläufe Nord mit zusammen 44 km Tunnel für 5 Mrd. € meint. Optimierung? Mehr Zufluss in einen Flaschenhals verbessert das Volumen einer Flasche?
Eisenhart von Loeper zu dem im Interview vor der Mahnwache geäußerten Argument, die Mehrkosten könnten zu einem Drittel bei der Stadt landen:„Werners Argument „mit gegangen, mit gehangen“ gegen das blinde Weiter-so der Stadt Stuttgart durch OB Nopper trifft zu. Das bescheinigt eindringlich das Verwaltungsgericht Stuttgart im Urteil vom 1. Juli 2021 zum Bürgerbegehren Storno 21: Gerade weil die Projektpartner mit dem Baufortgang von S21 immer mehr – wie von uns erklärt – in die Zwangslage zu geraten drohen, dass die Bahn AG die massiven Mehrkosten des Projekts im Eigeninteresse auch auf die Beteiligten abwälzen muss, hätten sie das Projekt in „angemessener Frist“ kündigen müssen. Stichtag dafür ist die Kenntnis der Kostenlawine seit dem 12. 12. 2012. Die angemessene Kündigungsfrist lief laut Gericht jedenfalls zwei Jahre später ab. Fazit: Die „Vertragstreue“ zu S21 und das stetige Dulden des Baufortschritts bedeutet hiernach, dass Land, Stadt und Region bei den gesamten Mehrkosten oberhalb 4,5 Milliarden Euro in der Kostenfalle sind, und nach gerichtlichem Ermessen beteiligt werden können.“
Dass Nopper rät, man soll jetzt nach vorn, auf die „Jahrhundertchance S21“, und nicht zurückschauen, ist verständlich. Aber auch der Blick nach vorn verheißt noch mindestens so viel Unheil wie der zurück!
- Nopper cancelt zugesagte Gespräche. Verabredungsgemäß sollte eine weitere Gesprächsrunde zwischen drei Vertretern des Aktionsbündnisses und OB Nopper zu verschiedenen wichtigen Themen des Projekts S21 stattfinden. Weil der Brandschutz bisher nicht entsprechend thematisiert werden konnte, sollte unter Vermittlung von OB Nopper zusätzlich auch ein Gespräch mit Branddirektor Dr. Belge geführt werden. Am 3. Februar teilte Nopper in einem Schreiben an Bündnissprecher Martin Poguntke mit, dass keine Gespräche mehr stattfinden würden, auch nicht zum Brandschutz. Hierzu dürften lediglich schriftliche Fragen eingereicht werden.
- In einem Unternehmen, dessen Ruf ziemlich ruiniert ist, lebts sich wohl doch nicht so ungeniert. Die Fluktuation bei der PSU scheint erheblich zu sein. Im Zug der Korruptionsvorwürfe wurde nicht nur ein Whistleblower fristlos gekündigt. Weitere verließen die PSU, darunter der bisherige Finanzvorstand.Möglicherweise also kein Wunder, dass die PSU auf allen Kanälen Personal für derzeit 45 freie Stellen sucht. Die Not muss groß sein, wenn die PSU nach etwa 20 Jahren Planerei z.B. einen Risiko-Manager zur „Unterstützung bei der Erstellung einer transparenten und termingerechten Berichterstattung zum Kosten- und Risikomanagement“ sucht, der ein „Frühwarnsystem zur frühzeitigen Erkennung von Risiken“ pflegen und „Chancen und Risiken bewerten soll. Er soll mit ganzheitlichem Blick auf das Projekt das Ziel und die Zusammenhänge niemals aus den Augen verlieren und die Einhaltung der Termine, Kosten und der Qualität sicherstellen“, so zitiert Konstantin Schwarz die Ausschreibungstexte im europäischen Amtsblatt in der Stuttgarter Zeitung.
Nicole Razavi – wer erinnert sich nicht?
Apropos Lügen
Diese Pressemeldung der charmanten Nicole Razavi, inzwischen wie Winne Hermann Minister*in bei Grün/Schwarz, gibts wohl nicht mehr auf ihrer Homepage. Aber das Internet vergisst ja nix und es gibt Sammler und Finder, wie den Twitterer und Radaktivisten
„X-tof Hoyer, @x_tof“, der das ausgegraben hat:
Weiteres dazu auf der …
600. Montagsdemo hier online im Oben-Bleiben-TV
Es ist ein stolzes Jubiläum: sechshundert Montagsdemos! Und außerdem noch der Jahrestag der Parkräumung vor 10 Jahren. Umso schmerzhafter ist, dass die Demo nicht auf der Straße und vor dem Bahnhof stattfinden kann. Das Demoteam hat es sich nicht leicht gemacht mit seiner Entscheidung. Das begründet Angelika Linckh am Ende des Videos der 598. Montagsdemo (ab Min 52:30).
Zehn Jahre Parkräumung und -zerstörung
Zehn verlorene Jahre für Klimaschutz, leistungsfähigen Bahnverkehr und sozialen Wohnungsbau
… so schreibt das Aktionsbündnis in seiner aktuellen Pressemitteilung zum Thema. Und weiter:
„Schon damals war das angeblich alternativlose Großprojekt aus der Zeit gefallen. Für die Luftreinhaltung wichtige Bäume wurden gefällt und für das Stadtklima benötigte Grünflächen zubetoniert. Heute sind angesichts der Erderhitzung die Folgen dramatisch. Die Bodenversiegelungen und der querliegende Tiefbahnhofsriegel werden bei extremem Starkregen zu einer Überflutung der Innenstadt führen. … „Angesichts der vielen ungelösten Probleme bis hin zum gescheiterten Brandschutz sehen wir eine Bilanz des Grauens“, so Dieter Reicherter neu gewählter Sprecher des Aktionsbündnisses. Auch nach 10 Jahren sei die Zerstörung des Parks ein nachwirkender Klimaskandal und ein Verbrechen an künftigen Generationen.“
Empathischen Journalismus könnte man den Bericht von Oliver Stenzel in kontext nennen, der auch am 12.12. bundesweit als taz-Beilage erschien: Berichte, Photos und Videos von der großen Demo am Vorabend der Parkräumung, von der Park- und den Baumbesetzungen, die zeigen wie sehr die S21-Protestbewegung schon immer eine Umwelt- und Klimabewegung war bis hin zu Erinnerungen von Parkschützerin Angelika Linckh, Baumbesetzer Eberhard Linckh, Helga Stöhr-Strauch, inzwischen „ausgewanderte“ Miterfinderin der Montagsdemos
gegen Stuttgart21, und Bündnissprecher Dieter Reicherter: 10 Jahre Parkräumung in Stuttgart: „Wie scheiße sieht die Stadt jetzt aus“ – Ausgabe 567 (kontextwochenzeitung.de)
Protest gegen Waldrodung
Vernissage im Altdorfer Wald
In Oberschwaben, im Landkreis Ravensburg kämpfen Aktivist*innen gegen eine weitere Waldrodung, mit dabei auch die Freund*innen, die das Banner auf dem Züblin-Kran in der Königstraße aufgehängt hatten. Diesmal geht es um einen großen Teil des Ökosystems Altdorferwald, der einer Kiesgrube zum Opfer fallen soll.
Hier der Hinweis auf eine Solidaritäts- Kultur-Veranstaltung (aus: 599. MoDemo, ab Min. 25:20). Vielleicht ist jemand in der Gegend oder würde kurz entschlossen noch hinfahren?
Von Reinhard König hier der Vorschlag zu einer Reise mit Zug (am 13.02. um 8.01 Uhr ab Hbf Stgt.) und Rad (1 Stunde). Kontakt: Reinhard.Koenig@onlinehome.de
Last Generation
Ziviler Ungehorsam mit neuem Ansatz
Friedlicher Widerstand mit begrenzten Grenzüberschreitungen, wie Parkbesetzungen, Blockaden von Straßen und Baustellenzufahrten, Besetzung von Bäumen und Bahnhofsdächern, das gehörte von Anbeginn zu dieser Bewegung, zu deren Protestrepertoire. Um die Strategie ist es ruhig geworden.
Nachdem in der jungen Klimaschutzbewegung Ernüchterung eingetreten ist, weil ihre medialen Erfolge bei weitem nicht die erforderliche Konsequenz in der Klimapolitik bewirkt haben, taucht jetzt mit Exctinction Rebellion und immer mehr in den letzten Wochen mit der Gruppe Last Generation eine neue Strategie von Zivilem Ungehorsam auf. Schlagzeilen machten zuletzt die Proteste gegen Lebensmittelverschwendung, die aber nur ein Aufhänger für die ganz grundsätzliche Ansage ist: so kann es nicht weitergehen, wenn wir den Planeten nicht an die Wand fahren wollen. Wir sind die last generation, die das alles noch stoppen kann, und zwar durch massivere Eingriffe in die Abläufe des Weiter-so.
Schon jetzt beteiligen sich auch S21-Aktive, oder „Aktivisti“ genannt im geschlechtergerechten Sprachgebrauch der neuen Bewegung, in Stuttgart an den neuen Protestformen.
Hier Auszüge aus einem taz-Kommentar von Kersten Augustin /12.2.2022:
„Wie radikal muss man sein, um etwas zu verändern?“, fragte die Moderatorin in die Runde. „So radikal wie die“, sagt die Ex-Bunte-Chefin, und auch der Bild.tv-Chef erzählte von seiner Tochter, die ihm diese Frage stelle. Wie kann es sein, dass so viele Menschen von den Blockaden der Autobahn fasziniert sind? Es ist faszinierend, weil es so wenig braucht, um den Alltag zu unterbrechen, der sonst alternativlos erscheint. Weniger als zehn Menschen setzen sich auf die Straße – und der Verkehr bricht zusammen. Eine beeindruckende Effektivität, vor allem, wenn man sie mit dem Zustand vergleicht, in dem sich die Klimabewegung nach zwei Jahren Pandemie befindet. Wie misst man den Erfolg einer Bewegung? Es scheint, als sei weder die Zahl der DemonstrantInnen noch der Applaus, den sie bekommen, der entscheidende Gradmesser. Es hat der Klimabewegung nichts gebracht, von Olaf Scholz und Angela Merkel umarmt zu werden. Als 1,4 Millionen Menschen am 20. September 2019 auf die Straße gingen, bekamen sie ein Klimapaket, das seinen Namen nicht verdiente. Für die Bewertung der Blockaden ist ein anderer Maßstab brauchbarer: Disruption. Noch haben die Autobahnblockaden außer Aufmerksamkeit wenig erreicht. Aber Selbstwirksamkeit, also die Erfahrung, mit dem eigenen Körper einen Unterschied zu machen, ist eine bleibende Erfahrung, nicht nur für die Beteiligten. Und auch die ZuschauerInnen des Spektakels trennen sehr wohl zwischen Form und Inhalt. Man kann die Blockaden falsch finden, aber selbst die Statements von AutofahrerInnen im Stau beginnen oft mit der Einschränkung: „Ich find’s ja richtig, dass die demonstrieren, aber …“ Meist wurde kritisiert, dass die Blockaden die Falschen treffen würden. Dabei wurde eine Strohpuppe aus dem Schrank geholt, die aus der Benzinpreisdebatte bekannt ist: Es ist die alleinerziehende Krankenschwester, die nun im Stau stehe (als würde sie normalerweise problemlos über die leere Berliner Stadtautobahn düsen). Auch SPD-General Kevin Kühnert berief sich auf sie und kritisierte die Aktion: Bei einem regulären Streik in einem Betrieb richte sich die Aktion gegen den Arbeitgeber, sagte er. Hier bestreike man sich gegenseitig. Natürlich sollten die Blockierer der einzelnen gestressten Autofahrerin nicht mit Überheblichkeit begegnen. Doch mit dem Vergleich erklärt Kühnert unfreiwillig, warum der Protest erfolgreich ist: In der Klimakrise gibt es nicht nur Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dieser Streik richtet sich nicht gegen einen eindeutigen Gegner, sondern gegen den fossilen Irrsinn des Alltags, unter dem auch die Krankenschwester leidet.“
Kein Kahlschlag bei Stuttgarter Zeitung und Nachrichten!
Qualitätsjournalismus statt Parteinahme für Stuttgart 21
Was die Berichterstattung der beiden Stuttgarter Monopolzeitungen betrifft, fällt es schwer von Qualitätsjournalismus zu sprechen – was nicht gegen die sehr qualifizierten Journalist*innen, sondern gegen die Linie der Blätter spricht. Aus S21-kritischer Sicht wäre
die Devise: je mehr Qualitätsjournalismus, desto mehr kommt ans Tageslicht zu Stuttgart21! Deswegen muss es uns ein Anliegen sein, den mit dem angekündigten Kahlschlag im Stuttgarter Pressehaus zu befürchtenden Verschlechterungen der Qualitätsstandards entgegen zu treten.
Kontext hat bereits dreimal sehr informativ und solidarisch über die Abbaupläne berichtet. 50 Stellen sollen abgebaut und Stadtteilausgaben gestrichen werden:
– Stuttgarter Pressehaus: Auflösung einer einst stolzen Zeitung
– „Schmerzen bei der Zeitungslektüre“
– Die vierte Säule wackelt (darin auch ein Beitrag von mir, der aus legitimen Platzgründen gekürzt werden musste. Hier vollständig):
„Stuttgart21-Gegner*innen sind nicht nur Stuttgart21-Gegner*innen. Sie interessieren sich auch für Kultur, Reisen, Sport, die große und kommunale Politik. Um Position beziehen zu können, sind sie auf Medien angewiesen, die sie unabhängig und mit einem kritischen Blick auf Macht und Mächtige informieren. So steht es jeden Tag in der Kopfzeile der Stuttgarter Zeitung und so ist es das Vermächtnis des Antifaschisten und großen Demokraten Josef Eberle, der nach dem Krieg die StZ gegründet hatte. Diesem Anspruch sind die Stuttgarter Zeitungen beim Thema S21 von Anfang an nicht gerecht geworden. Sie waren Teil des großen Bündnisses zur Durchsetzung des Projekts und erklärten schon 2010 in einem Selbstverständnisbeitrag ungeniert: „Wir (!) sehen das Vorhaben positiv“. Seither erleben wir eine einseitige Berichterstattung, die jeden Meter Tunnelbau feiert (da scheint ein Anruf des S21-Presseprechers Jörg Hamann, vormals Lokalchef der StN zu genügen), die aber zu wirklich Wichtigem und zu den für die Stadt existentiellen Folgen des Projekts vor allem schweigt, Kritik kaum zu Wort kommen lässt und die Leser*innen soweit uninformiert hält. Fake news sind nicht das Problem, sondern eine asymetrische Berichterstattung, die das Projekt von Anfang an als unumkehrbar verkauft hat und Alternativen ignoriert. Nur Qualitätsjournalismus kann Arbeitsplätze bei StZ & Co sichern. Der Ausweg aus der Krise könnte, am Beispiel S21 veranschaulicht, so aussehen: mehr Spielraum für die professionellen Redakteur*innen, die die Zeitung ja hat, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Was ist dran an dem Vorwurf, am Ende könnte eine Bauruine stehen, weil es keinen funktionierenden Brandschutz gibt? Was bedeuten die geplanten weiteren 47 km Tunnel fürs Klima? Kann ein nur noch achtgleisiger Bahnhof wirklich die Verkehrsleistung erhöhen? Lohnt nicht das Umstiegskonzept (Citylogistik in der S21 Infrastruktur) eine Auseinandersetzung? Warum war es die englische Financial Times und nicht die StZN, die die massiven Betrugsvorwürfe von zwei S21-Whistleblowern öffentlich machte? Zu alledem bräuchten die StZN nicht einmal mehr Zeit und Leute. Sie könnten auf sehr viel kompetente Expertise z.B. von Ingenieure22, S21-kritischen Architekt*innen, Stadtplaner*innen und Jurist*innen sowie etliche Gutachten zurückgreifen. Es ist angerichtet.“
Schon länger hat man außerhalb von Stuttgart festgestellt, dass es kaum noch mediale Resonanz auf wichtige regionalpolitische Vorgänge gibt. Aufgeschreckt durch die Berichterstattung von kontext schreiben jetzt fünf Landräte einen Brandbrief an den Medienkonzern SWMH – und keine Zeitung druckt ihn. Das große Verschweigen klappt aber nicht. Kontext berichtet weiter, die Kreisfürsten finden Unterstützer, die Grünen wachen auf, das Pressehaus muss sprechen. (hier der Brief bei kontext)
& Gruß von Werner, neuerdings auch auf Twitter: @WernerBorn_