Die zu hundert Prozent staatseigene Bahn soll als „Wirtschaftsunternehmen“ losgelöst vom Grundgesetz ihre Projekte von Ländern und Kommunen fremdfinanzieren lassen dürfen. Das hat der Zehnte Senat des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts unter seinem Präsidenten Klaus Rennert mit seinem Urteil vom 14. Juni 2016 entschieden. Das CDU-Mitglied Rennert war zeitweise im Staatsministerium Baden-Württemberg tätig und gelangte über seine Partei ins Präsidentenamt beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).

Nach Überzeugung von Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper, der den Prozess als Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 seit über vier Jahren begleitet, schadet diese Entscheidung dem Ansehen des Rechtsstaats. Von Loeper kritisiert scharf: „Die Verfassungsnorm, dass der hoheitlich gesteuerte Aufgabenträger für die Kosten verantwortlich ist, wird damit preisgegeben. Jeder wirtschaftlich Stärkere darf sich dann noch so unsinnige Prestigeprojekte wie Stuttgart 21 bei der Deutschen Bahn einkaufen. Das schadet dem solidarischen bundesstaatlichen Zusammenhalt und missachtet die Maxime gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bund.“

Der Rechtsanwalt fragt sich, warum das Bundesverwaltungsgericht staatliche Verantwortung in private Obhut überführt und sich damit gegen die Fraport-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt. Auch der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof habe als Vorinstanz noch festgestellt, dass die staatseigene Aktiengesellschaft Deutsche Bahn wegen ihrer aus dem Grundgesetz abgeleiteten Pflicht für den Erhalt und Ausbau des Schienennetzes als „verlängerter Arm des Staates“ zu sehen sei.

In diesem Rahmen sei daher nur noch strittig gewesen, ob die Aufgaben des Verkehrsprojekts „Stuttgart 21“ sich tatsächlich überschnitten mit den Zuständigkeiten der Landeshauptstadt Stuttgart für den Städtebau. Danach wäre auch der Kostenanteil zu bemessen, der allein eine kommunale Mitfinanzierung begründen könne.

Nach Auffassung des Aktionsbündnisses, die von den Vertrauensleuten des Stuttgarter Bürgerbegehrens geteilt wird, wirft dieses Urteil des BVerwG neue Probleme auf: Die Kluft zwischen der „rüden Maxime“, so von Loeper, „dass der wirtschaftlich Stärkere den Kurs der Bahn bestimmt“, und dem solidarischen Gemeinwohl müsse zügig mit einem geeigneten Gang nach Karlsruhe überwunden werden.

Mit bundesweiter Signalwirkung habe die Stadt Stuttgart sich so nun auch ein Eigentor geschossen. Das Aktionsbündnis unterstützt die Überlegungen, das widersinnige und schädliche Prozessergebnis über eine Verfassungsbeschwerde oder mit gezielten Initiativen aus anderen Ländern zu korrigieren.

Kontakt:
Dr. Eisenhart von Loeper, Telefon (0174) 591 24 95 und (07452)  4995
Hermann Schmid, Telefon (0171) 5531693