(hier als pdf-Datei)

Der nächste Offenbarungs-Eid
S21-Begründung Wohnungsbau wird zur Schimäre

Nachdem die Behauptungen, durch S21 werde der Bahnverkehr verbessert und würden Arbeitsplätze geschaffen, längst als Schutzbehauptungen entlarvt sind, zerbricht nun auch eine der Hauptrechtfertigungen des Projekts S21 schaffe zeitnah Wohnungen. Gestern hatte OB Kuhn zugeben müssen, dass eine Wohnbebauung auf dem beim Bau von S21 freiwerdenden Gleisvorfeld erst Mitte der 30-er Jahre möglich würde. Bezieht man Erschließung und Hochbau mit ein, so könnten Fertigstellung und Bezugsfähigkeit bis in die 40-er-Jahre dauern. „Angesichts der tiefen Einschnitte durch Corona und den Strukturwandel der hiesigen Schlüsselindustrien ist völlig unabsehbar, ob und welcher Wohnungsbedarf dann bestehen wird“, so Bündnissprecher Martin Poguntke.

Dabei ist die Erkenntnis, dass die Bebauung der durch S21 freiwerdenden Gleisflächen erst in den 30-er-Jahren angegangen werden könnte, keineswegs so überraschend, wie die Stadt nun den Eindruck erwecken will. Von Anfang an war klar, dass einer endgültigen Fertigstellung des Tiefbahnhofs noch Jahre für Probebetrieb, Gleisentfernung, Abbau der massiven Beton-Überwerfungsbauwerke, Sanierung des nach über 100 Jahren Bahnbetrieb hoch kontaminierten Bodens und Modellierung der Flächen folgen würden. Und auch die Eidechsen und die Naturschutzgesetze, die für jede Verzögerung verantwortlich gemacht werden, waren schon damals da.

Das neuerliche Eingeständnis von OB Kuhn ist ein Offenbarungseid und eine Blamage insbesondere für die hiesige SPD, die ihre Zustimmung zu S21 mit dem sozial- und wohnungspolitischen Argument begründete, dabei jedoch der Bau und Immobilienwirtschaft auf den Leim gegangen ist. „Jetzt, wo der letzte Eckpfeiler der S21-Begründung weggebrochen ist, sollte das ganze Projekt auf den Prüfstand“, so Poguntke. „Wenn Wohnungen gebraucht werden, dann jetzt. Und Flächen für mindestens 1.000 Wohnungen sind bereits jetzt vorhanden – die Bahn muss lediglich die Baulogistikfläche beim Nordbahnhof freigeben.

Statt mit der Bahn über einige wenige Jahre weniger an Zeitverzug – und dadurch weitere Kosten für den Stadthaushalt – zu verhandeln, muss die Stadt mit allen Projektpartnern Verhandlungen über ein grundsätzliches Umsteuern aufnehmen und die Möglichkeit für eine sofortige Wohnungsbebauung beim Nordbahnhof und Umnutzungsmöglichkeiten für die Bahnhofsgrube und die bereits gebauten Tunnel prüfen. Dabei könnten auch City-Logistiksysteme für den Warenverkehr zwischen Stadträndern und Zentrum (vorletzte Meile), die die Innenstadtstraßen von Güterverkehr entlasten könnten, eine Rolle spielen.

Da die mit der Bebauung des Rosenstein-Quartiers einhergehende Bodenversiegelung ohnehin stadtklimatisch problematisch ist und weil damit eine wichtige Frischluftschneise für den Stuttgarter Kessel verbaut würde, darf es hier angesichts der Dramatik der Klimaentwicklung kein Weiter-So geben.