(hier Stuttgarter Aufruf zur Klima- und Verkehrspolitik als pdf-Datei)
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Kulturschaffende und S21-Gegner fordern Merkel zu konkreten Klimaschutz-Schritten auf

Beenden Sie das Possenspiel um Stuttgart 21!

In einem „Stuttgarter Aufruf zur Klima- und Verkehrspolitik“ fordern sie nach der „Karlsruher Klima-Klatsche“ ein „sofortiges Umsteuern in der Verkehrs- und speziell Bahnpolitik“. Wichtig sei eine Bahn, die ihre Fahrgäste vor Ort abholt und wieder als Verkehrsmittel für alle wahrgenommen wird, statt als „Flieger auf Schienen“, Störfaktor und Landschaftszerstörer.

Vom Journalisten Franz Alt über die Kabarettistinnen Christine Prayon und Helmut Schleich bis zum Schauspieler Walter Sittler und dem „Erfinder des Inter-Regio“ Karl-Dieter Bodack reicht die Palette derer, die die Kanzlerin auffordern, ihren Ausspruch von 2010 „…an Stuttgart 21 entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ „als Fehleinschätzung zu revidieren“. Sie wenden sich mit ihrer Forderung nach einer Klima-Kurskorrektur bewusst an die Kanzlerin, die auch in der Atompolitik zu einer 180-Grad-Wende in der Lage war.

Mit dem vom „Aktionsbündnis gegen S21“, der „Schutzgemeinschaft Filder e.V.“ und dem „Bündnis Bahn für alle“ initiierten Offenen Brief wollen die Verfasser die Kanzlerin für die Einsicht gewinnen, dass die Klimaziele für die Region Stuttgart nur durch ein tabuloses Umsteuern auch beim Prestige-Projekt Stuttgart 21 erreicht werden können. Die Bundesregierung strebe aus gutem Grund für die Bahn einen Deutschland-Takt an; währenddessen werde aber in Stuttgart an einer „Fehlplanung“ gebaut, die schon vor ihrer Eröffnung mit fast 50 Kilometer zusätzlichen Klima und Umwelt belastenden Tunnels ergänzt werden müsse, ohne die Leistung des bestehenden Bahnhofs zu erreichen.

Traurige neue Aktualität hat die Brief-Passage „Bewahren Sie die künftigen Fahrgäste vor unabsehbarem Schaden an Leib und Leben“ gewonnen: Auch vor dem Hintergrund der neuesten (Seil-)Bahn-Katastrophe am Lago Maggiore (wie zuvor der ICE-Katastrophe von Eschede 1998 und des ICE-Brands von Montabaur im Jahr 2018) appelliert Bündnissprecher Dr. Eisenhart von Loeper angesichts des aus Sicht vieler Fachleute völlig unzureichenden Brandschutzkonzepts für S21 an die Kanzlerin: „Setzen Sie ein unüberhörbares Signal! Schweigen Sie nicht länger! Laden Sie nicht unermessliche Schuld auf sich!“

Kontakt (Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21):
Eisenhart von Loeper, 07452 4995
Martin Poguntke, 0151 403 602 56

 

Stuttgarter Aufruf zur Klima- und Verkehrspolitik

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

jüngst hat das Bundesverfassungsgericht Ihrer Regierung die „Karlsruher Klima-Klatsche“ verabreicht und den existentiellen Freiheitsrechten der jüngeren Generation auf ihre Zukunft einen heute schon verbindlichen Verfassungsrang verliehen. Grund genug, hier eine Wende weg vom halbherzigen Hinhalten hin zu realen Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele zu vollziehen. Wie Sie wissen, trägt der weitgehend fossil betriebene Verkehr entscheidend zur Klimakrise bei – ein sofortiges Umsteuern in der Verkehrs- und speziell in der Bahnpolitik wäre damit dringend geboten.

Uns erscheint es gerade jetzt und durch Sie notwendig, Ihre Äußerung vom September 2010, „…an Stuttgart 21 entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit Deutschlands“ als Fehleinschätzung zu revidieren. Denn fatal und immer deutlicher feststellbar sind nicht zu verantwortende Mängel beim Brandschutz, grundlegende und fortdauernde Fehlplanungen mit Bahnsteig-Schräglage, Kapazitäts-Abbau, Gäubahn-Kappung, Flughafen-Chaos, Anhydrit, Grundwasser, … Bewahren Sie die künftigen Fahrgäste vor unabsehbarem Schaden an Leib und Leben[1].

Die jüngst angekündigten gigantischen Tunnel-Zubauten werden die Fehlplanung nicht kaschieren können, dafür aber Klima und Umwelt weiter belasten – ganz zu schweigen von der absoluten Unverträglichkeit mit dem von ihrer Regierung initiierten Deutschland-Takt.[2]

Dieses umfassende Projekt wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, endlich mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und die Zahl der Fahrgäste zu verdoppeln – ein hehres und begrüßenswertes Ziel. Doch mit maßlosen 300 km/h-Hochgeschwindigkeitsstrecken, „verschlankten“ Bahnknoten und endlosen Tunnelgrabungen, die jetzt unter dem Label Deutschlandtakt durchgeboxt werden sollen, werden die Klimaziele und die jetzt in Karlsruhe bestätigten völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Klimaschutzabkommen konterkariert, und wertvolle Ressourcen werden einem sinnvollen Bahn-Ausbau in der Fläche entzogen: Der Bau eines Gleiskilometers unter der Erde erzeugt so viel Treibhausgas wie 26.000 Autos im Jahr.[3]

Deshalb appellieren wir heute an Sie: Nehmen Sie das Karlsruher Urteil ernst, geben Sie Klima- und Umweltschutz eine Chance – auch und vor allem in der Verkehrspolitik! Beenden Sie das neue Possenspiel um Ergänzungsbahnhof und weitere endlose Zusatztunnels, engagieren Sie sich für das umweltbewusste Umsteuern bei Stuttgart 21 und in der Bahnpolitik, und sorgen Sie für einen maßvollen, den Bedürfnissen der Fahrgäste, des Umwelt- und Landschaftsschutzes verpflichteten Ausbau der (Schienen-) Verkehrs-Infrastruktur.

Räumen Sie die kontraproduktiven, Klima-schädlichen Bahnprojekte aus der deutschen Verkehrslandschaft und aus den Augen einer Nachwelt, vor der nur das wirklich Zukunftsfähige Bestand hat. Dazu gehört eine Bahn, die ihre Fahrgäste vor Ort abholt und wieder als Verkehrsmittel für alle statt als „Flieger auf Schienen“, Störfaktor und Landschaftszerstörer wahrgenommen wird.

Franz Alt                                                                                                          Dipl.-Ing. Frank Distel
Journalist und Buchautor, Baden-Baden      Verkehrsfachmann, Baubürgermeister a. D.

Prof. Dipl.-Ing. Karl-Dieter Bodack, M.S.                                        Dr. Bernhard Knierim
Ingenieur und Designer, Gröbenzell      Politikwissenschaftler, Sprecher Bahn für Alle

Christine Prayon                                                                                       Dr. Eisenhart v. Loeper
Schauspielerin und Kabarettistin, Stuttgart Rechtsanwalt, Sprecher Aktionsbündnis

Helmut Schleich                                                                                                    Dieter Reicherter
Kabarettist, München                                           Vorsitzender Richter am Landgericht a. D.

Walter Sittler                                                                                                                  Steffen Siegel
Schauspieler und Filmproduzent, Stuttgart  Vorsitzender Schutzgemeinschaft Filder

[1] Siehe dazu auch aktuell ARD, Report, 30.03.21

[2] Für eine zusammenfassende Darstellung und Analyse verweisen wir auf http://wikireal.info/wiki/Stuttgart_21

[3] https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/unterirdische-orgien