Sehr geehrter Herr Minister,

gerade habe ich im Fernsehen die Meldung verfolgt, dass Sie einen Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild für die Bundesrepublik Deutschland einführen wollen. Ich kann dieses Vorhaben nur begrüßen, da ich in der Schweiz sehr gute Erfahrungen mit dem ITF (Integraler Taktfahrplan) gemacht habe.

Dumm ist nur, dass ich in Stuttgart wohne und daher wohl nie in den Genuss eines solchen getakteten Fahrplanes kommen werde. Ich möchte Ihnen meine Befürchtungen gern erläutern:

Von Stuttgart fahren derzeit Fernzüge in Richtung München, Nürnberg, Berlin, Hamburg, Köln, Karlsruhe und Zürich ab. Dazu kommen noch Regionalzüge nach Tübingen, Karlsruhe, Freudenstadt, Horb, Würzburg, Ulm, Mosbach-Neckarelz, Heidelberg, Mannheim, Aalen und Heilbronn. Wahrscheinlich ist diese Auflistung noch nicht einmal vollständig. Wenn nun alle diese Züge untereinander erreichbar sein sollen, dann dürfte es im achtgleisigen „Neuen Herzen Europas“ oder einfacher gesagt
bei Stuttgart 21 recht eng werden.

Wenn ich nun die oben genannten Fern- und Regionalzüge addiere, komme ich auf mindestens 18 Züge, die gleichzeitig im Stuttgarter Halbtiefbahnhof halten müssten. Bei  nur 8 Gleisen ist das selbst mit den versprochenen Doppelbelegungen nicht machbar. Außerdem sind Doppelbelegungen nur bei kurzen Regio-Zügen möglich, nicht jedoch bei den deutlich längeren Fernzügen.

Nun ist es aber auch kein Geheimnis, dass die Bundesregierung unter allen Umständen am Bau von Stuttgart 21 festhalten will und diesbezüglich sogar Druck auf die Aufsichtsratsmitglieder ausübt, was mir bei der letzte Aufsichtsratssitzung am 26.09.2018 ein Mitglied des Aufsichtsrates bestätigte. Diese Aussage hat übrigens selbst mich überrascht.

Aber in jedem Fall sehe ich in den Plänen der Bundesregierung für einen sogenannten Deutschlandtakt und dem Bau von Stuttgart 21 einen großen Widerspruch. So wurden in der Schweiz viele Bahnhöfe (z.B. Zürich) erweitert, um den ITF zu ermöglichen. Auch in Deutschland werden einige Bahnhöfe, wie zum Beispiel Mannheim mit zusätzlichen Gleisen und Bahnsteigen ausgebaut, während Bahnhöfe wie Karlsruhe, Nürnberg und die Kopfbahnhöfe in München und Leipzig bereits über genügend Gleise
verfügen.

In Stuttgart hingegen wird der ehemals siebzehngleisige Kopfbahnhof zu
einem achtgleisigen Durchgangsbahnhof zurückgebaut. Wie da ein
Taktfahrplan möglich sein soll, kann ich mit meinen laienhaften
Bahnwissen leider nicht nachvollziehen.

Aber zum Glück sind unsere Politiker ja von Transparenz geprägt und Sie verfügen sicher über fachkundige Mitarbeiter, die mir erklären können, wie Stuttgart 21 mit dem Deutschlandtakt zu vereinen ist. Schließlich kann ich mir nicht wirklich vorstellen, dass die Landeshauptstadt Stuttgart bahntechnisch auf der Strecke bleiben soll, wo doch alle Partner von Stuttgart 21 viel Geld investieren, um den Bahnverkehr zu verbessern und schnellere Verbindungen zu schaffen, die natürlich auch untereinander vertaktet sein sollen.

Ich hoffe, dass Sie meine Bedenken mit verständlichen Antworten
zerstreuen können.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Müller (begeisterter Bahnfahrer)