Alternative „Neue Prag“
Mit Stuttgart 21 verbaue sich die Stadt im wörtlichen Sinne städtebauliche Entwicklungsmöglichkeiten und die Chance einer zeitnahen Entlastung des Miet-Wohnungsmarkts, so Bündnissprecher Dr. Norbert Bongartz im Vorfeld der am 6. April geplanten Mietendemo. Die immer als Jahrhundertchance verkaufte Bebauung des Rosensteinquartiers („B-Areal“) sei umweltpolitisch unverantwortlich. Sie behindert den nächtlichen Luftaustausch, der angesichts der Kessellage der Stadt, ihrer miserablen Luftqualität und steigender Durchschnitts-Temperaturen lebenswichtig ist.1 Vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Klimakatastrophe mute der Plan, der auf eine großflächige Bodenversiegelung innerstädtischer Flächen hinausläuft, wie aus der Zeit gefallen an.
Wenn der grüne Baubürgermeister diesen Anachronismus mit dem Hinweis kleinzureden bemüht ist, S21 werde nun mal „kein Energie-Plus-Bahnhof.“, so markiert dies einen Tiefpunkt grüner Glaubwürdigkeit.2 Wenn Stuttgart 21 je fertig gebaut würde und alle oberirdischen Gleise und Überbrückungsbauwerke demontiert, die Böden saniert wären, ist (nach heutigen Stand) mit einem Baubeginn erst ab 2031 zu rechnen. Wer bei der jetzigen Lage auf dem Wohnungsmarkt mit solchen Zeiträumen rechnen muss, streut den Bürger*innen Sand in die Augen.
Deutlich zeitnäher und umweltverträglicher können bis zu 1000 neue Wohnungen entstehen, wenn der fatale Weiterbau von Stuttgart 21 gestoppt und auf einen Umstieg orientiert wird. Auf dem sogenannten C-Areal, einem 12 ½ Hektar großen Areal zwischen Pragfriedhof und Nordbahnhof, das derzeit noch für die S21-Baulogistik genutzt wird, könnte ein neues Stadtquartier entstehen. Im Konzept UMSTIEG 21 ist mit einem Test-Entwurf eine erste Vision vorgestellt worden, wie dieses neue Viertel, die „Neue Prag“, aussehen könnte.
2027 wird die Stadt die internationale Architektur-Welt zu Gast haben. Anlass ist der 100. Jahrestag der Internationalen Bauausstellung auf dem Weißenhof 1927. Dann wird die Stadt die Wahl haben, sich auf internationaler Bühne entweder mit einem sinnlosen und klimaschädigenden Großprojekt zu blamieren oder zu zeigen, dass man aus Fehlern auch lernen kann und mit einem Musterbeispiel nachhaltigen und sozial verantwortlichen Wohnungsbaus auf dem C-Areal brillieren. Eine solche Konversion21 könnte die Architekt*innen-Avantgarde, die Medien und das interessierte Fachpublikum ähnlich beeindrucken wie es seinerzeit die Weißenhofsiedlung tat.
Kontakt:
Norbert Bongartz 0711 698 076
Werner Sauerborn 0171 320 980 1
1 Die stadtklimatische Bedeutung des Gleisvorfelds belegt der Stadtklimaatlass der Abteilung Stadtklimatologie des städtischen Umweltamts: www.stadtklima-stuttgart.de/index.php?klima_s21_grundlagen_kap4.1
2 „Energie einzusparen, ist nicht das zentrale Thema dieses Bahnhofs“, so Pätzold weiter auf die Frage nach der Klimaneutralität von S21/ StZ vom 07.02.2019