Als geradezu schamlos bezeichnet das Aktionsbündnis den Wechsel von Jörg Hamann, dem langjährigen Lokalchef der Stuttgarter Nachrichten, ohne jede Karenzzeit zur Deutschen Bahn AG in das Amt des neuen S21-Projektsprechers. Hamann stehe für die kritiklose, ja kampagnenförmige Unterstützung von Stuttgart 21 durch die beiden Stuttgarter Zeitungen in der kritischsten Phase des Projekts.
Hamann ist besonders bei S21-Kritiker/innen berüchtigt für Hofberichterstattung und bedingungsloses Schönschreiben des Projekts (blauer Himmel sichtbar im Tiefbahnhof, mit Bäumen bewachsenes Bahnhofsdach, zehngleisiger Tiefbahnhof), für die Begleitmusik zur Faktenschafferei der DB („Stuttgart 21 ist ab heute unumkehrbar“ – Schlagzeile StN am 2. April 2009) und für die Diffamierung der S21-Gegner/innen (“Furcht vor Hass und Gewalt”, StN am 11. Februar 2012). Erst am 7. Juli 2014 moderierte Hamann eine Jubelveranstaltung der StN unter dem Titel „Forum Stuttgart 21 – Meilenstein Fildertunnel“. Als „Experten“ geladen waren lauter S21-Befürworter: Bahnvorstand Volker Kefer, Tunnelbohr-Unternehmer Martin Herrenknecht und der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart, Thomas Bopp.
Schon im Jahre 2012 fragte Klaus Arnoldi (VCD) auf der Website des Aktionsbündnisses: „Wem, Herr Hamann, sind Sie mehr verpflichtet – der freien Berichterstattung oder den Drahtziehern aus Politik und Wirtschaft?“
Während im Verhältnis von Politik und Staat spätestens seit dem Fall Pofalla, der vom Bundeskanzleramt zur DB wechselte, über Moral, Korruption und Karenzzeiten zumindest diskutiert wird, scheint der Fall Hamann bisher, leider auch in der eigenen Zunft, keine Diskussionen auszulösen. Korruption beginnt aber nicht erst mit der Aushändigung eines Schecks für getane Schreibarbeit, sondern kann auch in der Eröffnung lukrativer Jobaussichten bestehen.
Mit Hamann findet nicht der erste geschmeidige Wechsel vom Stuttgarter Verlagshaus zum Bahnkonzern statt. Vor Hamann wechselte bereits mit Frau Nadja El Ami von den Stuttgarter Nachrichten eine S21-Propagandistin in den Bereich „Kommunikation, Medien, Politik“ beim Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, wo sie gelegentlich als stellvertretende Projektsprecherin tätig ist.
Auch wenn die Berichterstattung der beiden Stuttgarter Zeitungen zu S21 seit einiger Zeit deutlich sachlicher geworden ist, haftet beiden Medien der Makel an, mit ihren langjährigen tendenziösen Berichten im Verbund mit DB und Politik maßgeblich das Skandalprojekt gegen alle Sachkritik und Bürgerproteste durchgeboxt zu haben. Vorgänge wie der Wechsel von Hamann bestärken alte Zweifel an der Unabhängigkeit der Stuttgarter Medien, deren Rolle in der Demokratie eigentlich die Kontrolle der Mächtigen sein sollte.
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