Am 1. Dezember kam Boris Palmer in der taz mit der Aussage zu Wort, dass ein Ausstieg aus Stuttgart 21 nicht mehr möglich und eine „unglaubliche Vernichtung von Arbeitsleistung und Volksvermögen“ wäre. Martin Poguntke, Vertreter der Theologinnen und Theologen gegen S21 im Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, schrieb daraufhin einen Leserbrief an die taz, der leider nur unvollständig abgedruckt wurde. Hier ist er in voller Länge zu lesen:
Soso, ein Ausstieg wäre also „eine unglaubliche Vernichtung von Arbeitsleistung und Volksvermögen“. Wäre denn der Weiterbau eine geringere Verschwendung von Volksvermögen? Für 10 Mrd. (so viel wird es werden) einen Bahnhof zu bauen, der schon die heutigen Verkehrsbedürfnisse 30 % unterschreitet (und damit u.a. bundesweit zum Flaschenhals wird), der regelmäßig zu Unfällen führen wird (weil er 15 Promille Gleisneigung hat), der bislang keinen genehmigten Brandschutz hat (und für die dazu erforderlichen Umbauten weitere Kapazität einbüßen wird), dessen Tunnels regelmäßig zum Verkehrs-GAU führen werden, weil sie alle paar Jahre gesperrt werden müssen (weil der geologische Untergrund 100 Jahre lang quellen wird).
Der neoliberale Boris Palmer weiß, dass die ba-wü-Grünen politisch bequemer fahren, wenn sie sich nicht mit der Bauwirtschaft anlegen (so wie sie sich ja auch mit der Autoindustrie glänzend arrangieren).
Dem Neoliberalismus ist die Verschwendung von Volksvermögen kein Problem, sondern tägliche Praxis. Die Chance des S21-Ausstiegs ist aber, dass diese Verschwendung wenigstens ein klein bisschen geringer wird (so schlappe 5 oder 6 Mrd. – denn so viel günstiger wird die Modernisierung des Kopfbahnhofs – www.umstieg-21.de).
Womöglich ist Boris Palmer auch auf die neueste Finte der Bahn hereingefallen, der Ausstieg koste die Horror-Summe von 7 Mrd. (das wäre mehr als das gesamte Projekt bis letzte Woche noch gekostet haben soll). Der Trick: Die Bahn unterstellt mit dieser Zahl, dass sie bei einem Projektabbruch die schon gebauten Tunnels wieder zurückzubauen müsste. In den S21-Verträgen hat sich die Bahn aber lediglich verpflichtet, bei einem etwaigen Projektabbruch, eine sichere und (wie vorher) funktionstüchtige Infrastruktur zu übergeben.
Beim Konzept Umstieg 21 gehen wir davon aus, dass – wenn schon Unsummen in die Tunnels gesteckt wurden – man nicht weitere Unsummen in deren Abriss steckt, sondern jede wie auch immer geartete Umnutzung wirtschaftlicher ist.