Die „Schutzgemeinschaft Filder“ ist empört über die Oberflächlichkeit, mit der das Eisenbahnbundesamt (EBA) einen gehörigen Teil wohlbegründeter Einwendungen von Bürgern, Verbänden und Trägern öffentlicher Belange beiseite wischt, ohne seine Abwägung auch nur ansatzweise erschöpfend zu begründen, ja, auf zahlreiche Kritikpunkte zum Planfeststellungsabschnitt 1.3. wird gar nicht eingegangen.
So heißt es auf S. 86 des Planfeststellungsbeschlusses (PFB) denn auch zusammenfassend:
„Die Einwendungen der Betroffenen und der sonstigen Einwender sowie die von Behörden und Stellen geäußerten Forderungen, Hinweise und Anträge werden zurückgewiesen, soweit ihnen nicht entsprochen wurde oder sie sich nicht auf andere Weise erledigt haben.“
Man spürt förmlich beim Durchlesen des 316-seitigen Beschlusses, unter welchem Zeitdruck und wahrscheinlich auch politischen Druck das (neutralitätsverpflichtete!) EBA steht.
Hier nur einige wenige Zitate:
- „Der Finanzierung stehen keine unüberwindbaren Schranken entgegen.“ (Seite 122)
Ja glaubt denn das EBA immer noch an die Seriosität der Bahn, nachdem diese die Kosten zum wiederholten Mal gezwungenermaßen um Milliarden hochschrauben musste? Sind dem EBA das Gutachten von Vieregg/Rößler und die Ergebnisse des Bundesrechnungshofes, die auf unterschiedlichem Weg jeweils auf 10 Milliarden Euro Gesamtkosten kamen, nicht bekannt? - Die rechtlich fragwürdige Aufteilung des Abschnitts 1.3 in zwei Teilabschnitte a und b rechtfertige sich „aus der Vermeidung von Bau- und Inbetriebnahmeverzögerungen des Projektes Stuttgart 21“ (Seite 133). Dabei gehören beide Abschnitte zum Projekt Stuttgart 21. Die wichtige Direktverbindung Stuttgart – Zürich , die dann jahrelang unterbrochen würde, wird nicht problematisiert. Außerdem schreibt das EBA:
„Die Planrechtfertigung des PFA 1.3b ist gegeben“ und nimmt damit ein Abwägungsergebnis über einen nicht erörterten Abschnitt unrechtmäßig vorweg. Bei 1.3b wurde nur die sog. Antragstrasse erörtert und diese ist längst von allen Beteiligten verworfen worden. Hält man denn die Bevölkerung für so einfältig? - „Die Nullvariante (Beibehaltung Kopfbahnhof) sei nicht geeignet dem prognostizierten Verkehrsaufkommen gerecht zu werden“. Heißt es lapidar auf Seite 121. Dabei wissen wir alle, dass der bestehende Bahnhof bereits mehr leistet als es der Tiefbahnhof jemals leisten wird.
- Auf die Punkte Kostensteigerung, Längsneigung der Gleise im Tiefbahnhof und vieles mehr wird nicht eingegangen, mit der Begründung, es fehlten „neue, eine andere Bewertungen als bislang erfordernde Tatsachen“ (Seite 145). Da fragt man sich, wo die Behörden im Anhörungsverfahren waren.
- Zum geforderten Integralen Taktfahrplan (ITF), einem genialen Prinzip der Schweizer Bahn fällt dem EBA nichts anderes ein als:
„Die von Einwendern geforderte Einbindung in den ITF ist vom Vorhabenträger wegen fehlender Zweckmäßigkeit nicht vorgesehen. … Ein gewichtiger Nachteil durch das Absehen eines ITF-Knotens ist nicht gegeben.“ (Seite 145) Das ist schlicht eine Frechheit.
(Nach dem ITF-Prinzip kommen Fern- und Regionalzüge aus allen Richtungen sternförmig zu bestimmten Zeitpunkten – etwa zur Minute 00 und/oder 30 – zusammen. Ein solches regelmäßig stattfindendes „Rendezvous“ der Züge erlaubt ein gegenseitiges Umsteigen in alle Richtungen und schafft damit systemweit optimale Reiseketten ohne lästige Wartezeiten.) - Das Thema Mischverkehr auf der S-Bahntrasse auf den Fildern und die dadurch bedingte Beeinträchtigung des S-Bahnbetriebs war ein zentraler Punkt im Anhörungsverfahren. Im PFB heißt es, dass …„die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der S-Bahn im Filderbereich …nicht in Frage gestellt werden“ und im nächsten Satz heißt es, dass eine „Betriebssimulation gerade zur Hauptverkehrszeit eine Wahrscheinlichkeit für einen Verspätungsaufbau bei der S-Bahn ergab:“ Also doch?
Die Forderung nach einer Taktverdichtung der S-Bahn (Verlängerung nach Neuhausen, eventueller Ringschluss ins Neckartal usw.) tut das Amt ab mit der Begründung:
„Eine Taktverdichtung ist nach der plausiblen Gegenäußerung des Vorhabenträgers weder in der Hauptverkehrszeit für die S-Bahn kapazitiv möglich noch gebe es einen entsprechenden Bedarf.“ (Seite 151) Ein PFB muss jedoch auch die Zukunftsfähigkeit eines solchen Projektes bewerten.
Der PFB strotz von Unkenntnis, von dreister Verdrängung und von skandalösen Fehlbewertungen. So kann und darf eine Behörde, die über millionenschwere Eingriffstatbestände, zumal durch eine erwiesenermaßen gescheiterte Fehlplanung zu entscheiden hat, nicht mit Betroffenen umgehen.
Das EBA kommentiert außerdem den PFB mit dem Satz, weitere Verzögerungen seien „zu unterbinden“. Das sprengt ja ganz offenkundig das Neutralitätsgebot des EBA und ist eine unerhörte Einmischung in die gerade stattfindende öffentliche Diskussion um die Weiterführung des Projektes S 21, um unzumutbare Kostensteigerungen, endlose Zeitverzögerungen, und einen möglichen Umstieg in ein anderes, zukunftweisenderes Projekt.
Wir sehen in dieser Form eines Planfeststellungsbeschlusses unsere Rechte buchstäblich mit Füßen getreten und ziehen in Erwägung, den Planfeststellungsbeschluss anzufechten.
Kontakt:
Steffen Siegel, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Filder
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