I. Zur Einführung: Ist das Bahnprojekt Stuttgart 21 umkehrbar oder gibt es den „point of no return“?
a) Wir wissen aus dem Entschwärzungsprozess gegen das Kanzleramt, dass der Weiterbau-Beschluss des Bahn-Aufsichtsrats zu S 21 auf massiver und sachfremder Einflussnahme der politischen Prominenz beruhte. Diese rechtswidrige Belastung darf keinen Bestand haben.
b) Das Kanzleramt hat wörtlich im Schriftsatz seiner Anwaltskanzlei vom 2.06.2015, S. 15, erklärt: „Die Frage eines Abbruchs des Projektes ist … kein abgeschlossener Vorgang …. Für den Fall, dass es zu weiteren Mehrkosten kommt, stellt sich die Diskussion wieder“, abrufbar unter www.strafvereitelung.de.
Dazu verpflichtet auch der simple Grund, den die Staatsanwaltschaft Berlin nannte, als es um den Vorwurf strafbarer Untreue der Verantwortlichen ging:
Ist den Aufsichtsräten nach sorgfältiger Prüfung bewusst, dass die Ausstiegskosten niedriger liegen als die Weiterbaukosten?
Wird das positiv geklärt, wie es Dr. Vieregg getan hat, ist der Aus- und Umstieg von Stuttgart 21 aus Rechtsgründen unerlässlich, neudeutsch „alternativlos“.
II. Der Bahn-Vorstand informiert lieber nicht, notfalls häppchenweise
– Da traut sich der Vorstand, die zentrale Frage der Kosten des Ausstiegs auszuschweigen und setzt sich Haftungsrisiken aus. Das Gutachten Dr. Vieregg zu ignorieren, dass der Ausstieg um vier bis sechs Milliarden Euro weniger kostet als der Weiterbau, ist untragbar.
Das darf sich der Aufsichtsrat nicht bieten lassen.
– Da gesteht die Bahn jetzt zwei Jahre Bauzeitverzögerung ein, sie hatte aber intern 2013 laut Dossier aus dem Verkehrsressort bereits drei Jahre Zeitverzug veranschlagt. Ihre angepeilte „Gegensteuerung“ der Bauintensivierung ist illusionär, ungenehmigt und würde die betroffenen Bewohner und das Mineralwasservorkommen untragbar gefährden.
– Da behauptet der Bahn-Vorstand kess eine mögliche Kostensenkung von 100 Millionen Euro, hat aber 2009 schon einmal die Kosten um 891 Millionen Euro geschönt, was er 2012 als selbst verschuldet einräumte. Solche „Gegensteuerung“ ist unseriös und unglaubwürdig.
– Da wird noch dazu aberwitzig behauptet, man könne ein Großprojekt auf mutmaßlich weitere sieben oder mehr Jahre mit aufgebrauchtem Risikopuffer betreiben. Der Risikopuffer des Finanzierungsvertrags von 2009 betrug 1,45 Mrd. Euro . Auf dieser Basis müsste das Projekt jetzt schon allein unter diesem Aspekt mit mindestens 7,5 bis 8 Milliarden Euro gesichert sein. Ein Weiterbau verbietet sich, wenn niemand diese Kosten trägt.
Die Faktoren, die dem Projekt aus anderen Gründen keinen Sinn geben, wie die drastische Bahnhofsverkleinerung, die Gefährdung der Menschen an Leib und Leben durch sechsfache, das Soll überschreitende Gleisneigung, durch den ungelösten Brandschutz und anderes, seien hier nur genannt, aber nicht vertieft.
III. Ergebnis:
Die dramatische Kostenverschleierung und die eingestandene Bauzeitverzögerung zeigen, dass der Bahn-Vorstand die Projektentwicklung längst nicht mehr im Griff hat und restlos überfordert ist. Da ist es die Stunde des Aufsichtsrats, keine verbalen Luftblasen zu erzeugen, sondern Konsequenzen zu ziehen, und zwar zuerst in den Sachfragen. Welche Stühle dann wackeln, muss – wie bei Koalitionsverhandlungen – nachrangig sein.
Wir fordern, dass die Kostenrechnung des Bahn-Gutachters und die Studie zu den Haftungsrisiken der Aufsichtsräte öffentlich zugänglich werden müssen.
Unsere Botschaft ist: Die Öffentlichkeit und der Bahn- Aufsichtsrat sollten die dramatischen Stuttgart-21-Kostensignale als Chance für den Umstieg verstehen. Auch die Bauzeitverzögerungen erleichtern in Wahrheit den Umstieg. Der Aus- und Umstieg auf den modernisierten Kopfbahnhof ist notwendiger denn je, weil er um Milliarden Euro günstiger liegen wird als der Stuttgart-21-Weiterbau.
Wir im Aktionsbündnis haben als Freunde der Bahn den 20 Aufsichtsräten jetzt geschrieben und die Gesprächsinitiative der Experten-Arbeitsgruppe für die Umstiegsoptionen unterbreitet.