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Nach gerichtlich erzwungenem Einblick in die Brandschutzpläne der DB wird klar:
Bahn baut Todestunnel
Nach eingehender Analyse ihres Rettungskonzepts im Falle eines Zugbrands im Fildertunnel wird sehr verständlich, warum sich die DB monatelang mit Zähnen und Klauen gegen jede Einsicht in die entsprechende Betriebssimulation gewehrt hat, so Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses. Bis zum VGH Mannheim hatten die Ingenieure22 streiten müssen, um an die brisanten Unterlagen zu kommen.
Am 17.12.2019 endlich, sowie am 31.01.2020, konnte ein Expertenteam der Ingenieure22 die sog. „Folie 11“ und Unterlagen zur Tunnelsimulation der von der DB beauftragten Schweizer Beratungsfirma GRUNER AG einsehen. Untersuchungsfall war der Brand eines mit 1.757 Menschen besetzten ICE im Fildertunnel. Es folgte eine monatelange Datenanalyse innerhalb des Expertenteams der Ingenieure 22, auch mit Prüfungen mittels eines anderen Simulationsprogramms.
Der Befund:
In der Simulation, auf die sich die DB stützt, konnten massive Manipulationen nachgewiesen werden, um eine Zeit zur Selbstrettung von 15 Minuten nachzuweisen:
Zugrunde gelegt wurden die jeweils günstigeren Werte, weil sonst die Selbstrettungszeit schon rechnerisch nicht hätte eingehalten werden können.
- Es wird unterstellt, dass der brennende ICE mittig zwischen 2 Rettungsstollen (Abstand 500 m) zum Stehen kommt. Dass der nächstliegende Rettungsstollen durch aufsteigende Rauchentwicklung oder den brennenden Zug selbst versperrt sein könnte, wodurch sich der Fluchtweg dann auf bis zu 500 m erhöhen würde, wird ignoriert.
- Für die Berechnung der benötigten Zeit, um im Zuginnern zu den Türen zu gelangen, wurde die Simulation programmbedingt mit einem ICE ohne Sitze durchgeführt.
- Der bei einem Doppelstockzug entstehende Rückstau an den Treppen zwischen den Etagen wurde nicht eingeplant.
- Die Ausstiegshöhe von den Zugtüren zu den Fluchtwegen beträgt über 90 cm, zu viel für Kleinkinder, Alte und Behinderte. Hierzu sollen laut DB 4 Zugbegleiter alle in den Decken installierten Trittleitern so schnell anbringen, dass alle 1.757 Menschen innerhalb von 2 Minuten ausgestiegen sind.
- Die über die Hälfte der Fluchtwege in Anspruch nehmenden Rettungsleitern behindern aber die Flüchtenden aus den dahinter liegenden Zugabteilen.
- Die Fluchtgeschwindigkeit vom Zug zum Querschlag wurde mit 1,34 m/sec, also 84 m/min, angesetzt, obwohl das Regelwerk nur 38 m/min vorsieht. Das liegt daran, dass auf den engen Fluchtwegen von nur 120 cm Breite, die teilweise sogar bis auf ca. 60 cm verengt sind, die Langsamsten das Tempo bestimmen und nicht überholt werden können.
- Auch der durch die engen Fluchtwege bewirkte Rückstau wurde nicht berücksichtigt. Nach den Richtlinien der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes benötigen die 1.757 Personen bei einer Fluchtwegbreite von 120 cm allein schon 22,2 Minuten zum Passieren.
- Obwohl selbst im günstigsten Fall bei einem mit 1.757 Personen voll besetzten Zug durch jede der beiden Schleusen fast 900 Menschen in die zweite Tunnelröhre fliehen müssen, wurde pro Schleuse nur mit 600 Personen gerechnet.
- Nicht berücksichtigt wurde, dass erst in die zweite Röhre gewechselt werden kann, wenn der Bahnverkehr in der zweiten Röhre eingestellt ist.
- „Als Hauptmangel beanstanden wir, dass es keine Aussagen zur Rauchausbreitung bei der Entfluchtung gibt“, so Dipl.-Ing. Wolfgang Jakubeit vom Expertenteam der Ingenieure 22.
- Auch das durch die Rauchausbreitung hervorgerufene „Panik-Verhalten“ der Flüchtenden bleibe in den Simulationen gänzlich unberücksichtigt. Empirische Erfahrungen zeigen, dass bereits kurz nach Evakuierungsbeginn für alle Fahrgäste und Bahn-Mitarbeiter des Zuges, also für bis zu 1.757 Personen, akute Lebensgefahr durch den sich rasch ausbreitenden Rauch besteht.
- Der bei einem Zugbrand im engen S21-Tunnel freigesetzte Brandrauch breitet sich mit 2,5 – 3 m/s aus; das ist etwa dreimal schneller als die mögliche Fluchtgeschwindigkeit. Die Flüchtenden werden vom tödlichen Rauchgas eingeholt und kommen darin zu Tode, bevor die Rettungsstollen erreicht werden können. Das Todesrisiko liegt wegen der viel zu langen Entfluchtungszeit bei nahezu 100%!
Dieser Befund, so von Loeper, „rechtfertigt eine drastische Wortwahl: Die Bahn baut hier einen Todestunnel und sie hat Politik und Öffentlichkeit massiv über die Risiken der S21-Tunnel getäuscht!“ Die Bahn und ihre Architekt:innen mögen spektakuläre Kelchstützen bauen können, geben Millionen für geschönte Werbung aus, bei einem Bahnknoten in Stuttgart aber, der den verfassungsgemäßen Schutz von Leib und Leben gewährleisten muss, versagen sie. „Gerade wo jetzt den Menschen harte Einschränkungen zum Schutz von Leben und Gesundheit zugemutet werden, muss Schluss sein mit dem Tolerieren und Ignorieren der lebensbedrohlichen Risiken bei Stuttgart 21“ so von Loeper an die Adresse der politisch Verantwortlichen in Stadt und Land. Eine Planfeststellung, die derart fundamentale Fakten nicht berücksichtigt, selbst wenn sie erst später bekannt wurden, muss aufgehoben werden.
Nach dem Planfeststellungsverfahren würde die abschließende Betriebsgenehmigung samt Brandschutzkonzept erst kurz vor Inbetriebnahme der fertiggestellten Anlagen erteilt. Wenn nicht das Eisenbahnbundesamt, wie schon so oft, regelwidrige Sondergenehmigungen erteilt, kann es unter den gegebenen Bedingungen niemals eine Betriebsgenehmigung geben, so Wolfgang Jakubeit von den Ingenieuren 22. Die Mängel seinen anders als beim BER auch mit jahrelangen und milliardenteuren Nachbesserungen kaum zu beheben.
Bündnissprecher von Loeper und auch Dieter Reicherter, vorsitzender Richter am Landgericht a.D., fordern das Eisenbahnbundesamt (EBA) auf, jetzt die Notbremse zu ziehen und die bisherigen Planungen aufzuheben.
Insbesondere an OB Kuhn appelliert von Loeper, den Kopf aus dem Sand zu nehmen. Die Aufdeckung der dramatischen Risiken dieses Großprojekts in Stuttgart wäre zuvörderst seine Aufgabe und die seiner Behörden gewesen. Umso mehr dankte von Loeper den Ingenieuren für ihre hochkompetente ehrenamtliche Aufklärung.
Anlage:
Schreiben mit den detaillierten Befunden der Ingenieure 22 (Dipl.-Ing. Wolfgang Jakubeit, Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Dipl.-Phys. Wolfgang Kuebart) an die Verantwortlichen der Bahn, beim Land, der Region und der Stadt vom 27.4. (Beispiel Schreiben an den Brandschutzbeauftragten der PSU, Herrn Bitzer). Bis heute haben sie nicht einmal eine Empfangsbestätigung erhalten.