Einführung von ETCS bei Stuttgart21- dilletantisch und rücksichtslos
Stuttgart droht Mega-Bahnchaos
„Was muss eigentlich noch passieren, bevor die Stuttgart21-Verantwortlichen aufwachen?“, fragt Bündnissprecher Dieter Reicherter. Am Wochenende hatte die Nachricht Wellen geschlagen, dass die Bahn bereits ab 21. April die wichtige Strecke Waiblingen-Stuttgart für nicht weniger als 14 Wochen komplett sperren will. Weitere Sperrungen sollen folgen. Nach eigener Aussage hat die Bahn noch keinerlei Plan, wie sie das organisieren will. Dabei sind dadurch die Verbindungen nach Aalen, Schwäbisch Hall, Tübingen und Ulm direkt betroffen.
Ein Desaster mit Ansage! In ein planerisch längst gescheitertes Projekt soll nun auch noch überhastet das hochkomplexe und umstrittene elektronische Zugsteuerungssystem ETCS implementiert werden. Zwanzig Jahre hat die Schweiz gebraucht für die Einführung der Basisversion von ETCS – ohne beeinträchtigende Streckensperrungen. Um die ohnehin völlig unrealistische Inbetriebnahme von S21 Ende 2025 zu realisieren, ist nun statt der vollmundig angekündigten Herstellung eines vollständig digitalen Bahnknotens der zusätzliche Einbau herkömmlicher Signaltechnik vorgesehen. Weil sie die Umstellung der Infrastruktur und der Züge in der knappen Zeit nicht bewältigt, schafft die Bahn eine betriebswirtschaftlich unsinnige Kombination von alter und noch nicht betriebsfähiger neuer Zugführung. S21-Geschäftsführer Olaf Drescher entschuldigt dies damit, es handele sich um ein Pilotprojekt und die Schwierigkeiten seien nicht vorhersehbar gewesen. Ein laues Eingeständnis dafür, dass man Fahrgäste als Versuchskaninchen benutzt und den Wirtschaftsstandort Region Stuttgart mutwillig gefährdet.
Das wird die S21-Kosten weiter in die Höhe treiben und stellt, so Dieter Reicherter, ein neues Maß von Unverfrorenheit gegenüber den Bahnkunden dar. Denn die Sperrungen mit Ersatzverkehren aufzufangen, ist völlig unmöglich – schon gar nicht mit einer so kurzen Vorlaufzeit. Die neuen Behinderungen des Bahnverkehrs addieren sich zu den vielen Verspätungen, „Wanderwegen“ zu den Gleisen und Zugausfällen, die jetzt schon Bahnreisende zur Verzweiflung bringen. Unter den Augen von Politiker*innen, die in Sonntagsreden und Programmen die Mobilitätswende Richtung Schiene fordern – allen voran die Grüne Landesregierung – findet schon jetzt die Verkehrswende rückwärts statt: Immer mehr Menschen sind gezwungen, wieder aufs Auto umzusteigen, um ihren Alltag zu bewältigen.
Politiker, die seit Jahren Stuttgart21 verteidigen und als Projektförderer im S21-Lenkungskreis beteiligt sind, gehen jetzt in Deckung, weinen Krokodilstränen oder reagieren hilflos und peinlich. Verkehrsminister Winfried Hermann beschwert sich wie ein unbeteiligtes Opfer über „einen herben Schlag für den Nahverkehr“ und „über miserables Management und Kommunikation des Projekts“. Und OB Nopper, in dessen Stadt das Desaster stattfindet, schimpft in einer 12-Zeilen-Meldung über „ein Riesenärgernis“ und „eine ganz bittere Pille für uns (!) alle“. Mit ein bisschen Sachkenntnis könnte Nopper wissen, dass seine Erwartung, „die Bahn werde einen jederzeit funktionierenden und guten Ersatzverkehr sicherstellen“, nicht von dieser Welt ist. Beredt auch das Schweigen der IHK Stuttgart, die sich diesmal keine Sorgen um den Standort Stuttgart zu machen scheint.
Das Aktionsbündnis fordert die verantwortlichen Politiker*innen auf, sich vorbehaltlos für die Interessen aller einzusetzen, die auf eine funktionierende Bahn und S-Bahn angewiesen sind, und die Streckensperrungspläne umgehend zu stoppen.
Kontakt:
Dieter Reicherter 07192 930 522 oder 0151 263 711 31,
Werner Sauerborn 0171 320 98 01, Twitter @WernerBorn_