Pressemeldung

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Coronakrise als Chance
Denkpause für Stuttgart 21

Die Gesellschaft wird anders aus der Krise herauskommen als sie hineingeraten ist. Das dürfe auch für Stuttgart 21, Deutschlands größtes Infrastrukturprojekt, nicht anders sein, meint Bündnissprecher Martin Poguntke. Wo Fabriken, Geschäfte und Büros mit Rücksicht auf das Ansteckungsrisiko dicht machen und nur noch „systemrelevante“ Arbeiten verrichtet werden, sei völlig unverständlich, dass auf den S21 Baustellen weitergearbeitet werde, wo oft die Distanzregeln nicht eingehalten werden können. Hinzu kommt, dass viele Tunnelarbeiter*innen aus Osteuropa und vor allem Österreich kommen und das Risiko grenzüberschreitender Infektionen erhöhen.

In Österreich haben die maßgeblich bei S21 beteiligten Baukonzerne Strabag (mit ihrer Tochter Züblin) und Porr auf Druck von Auftraggebern und Politik ihre Baustellen fast vollständig geschlossen. Im Falle von Porr sind das über 1000. Warum ziehen die für S 21Verantwortlichen keine entsprechenden Konsequenzen?

Wo Textilhersteller jetzt Atemschutzmasken produzieren, Bosch und Porsche Medizingeräte herstellen wollen und Schnapsbrenner Desinfektionsmittel herstellen, wo viele Unternehmen mit bemerkenswerter Kreativität bemüht sind, einen Beitrag zur Bewältigung der Krise zu leisten, wird ausgerechnet an einem Projekt weitergearbeitet, bei dem maßlose gesellschaftliche Ressourcen für die Verkleinerung eines Bahnhofs aufgewandt werden. Stuttgart 21 ist das glatte Gegenteil von systemrelevant.

Poguntke appellierte an die Projektverantwortlichen bei Bahn, Stadt und Land, die letztlich unvermeidliche Einstellung der Arbeiten auf den S21-Baustellen als Chance für eine Denkpause zu nutzen, das Projekt im Hinblick auf das Kosten-Nutzen/Schadens-Verhältnis noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und nach Auswegen und alternativen (Um-)Nutzungsmöglichkeiten für Bahnhofsgrube, Tunnel und Anlagen zu suchen.

Schon jetzt im Zuge der Diskussion über die Milliardenprogramme läuft die Debatte an, wie es nach der Krise weitergehen soll[1]. Das Aktionsbündnis wendet sich gegen alle Bestrebungen von konservativer und neoliberaler Seite, das alte Wachstums- und Konsummodell einfach wieder aufleben zu lassen. Stattdessen gilt es, „dreckige Investments zu reduzieren“, wie es Fatih Birol von der Internationalen Energieagentur IEA fordert. Alle Investitionen müssen sich jetzt an Nachhaltigkeitsmaßstäben und dem 1,5-Grad-Klimaziel messen lassen. Für die Bahn bedeutet das die Rückbesinnung auf ihren ökologischen und verkehrspolitischen Auftrag der Daseinsvorsorge und damit eine grundsätzliche Infragestellung des Weiterbaus des klimabelastenden Projekts Stuttgart 21.

[1] https://taz.de/Wirtschaftshilfen-in-Corona-Krise/!5673848/